Guantánamo-Prozesse:"Hochgradig unfair"

Trotz Freispruchs sollen Guantanamo-Häftlinge weiter in Haft bleiben. Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Pläne des US-Verteidigungsministeriums.

"Sie stellen eine Gefahr für die Welt dar". Mit diesem Satz begründet Pentagon-Sprecher Geoff Morrell, weshalb einige Terrorverdächtige auch im Falle eines Freispruchs durch ein US-Militärgericht im berüchtigen US-Lager Guantánamo Bay auf Kuba festgehalten werden sollen.

Guantánamo-Prozesse: Nach dem Willen des Pentagon soll das Gefängnis von Guantánamo selbst nach einem richterlichen Freispruch Endstation für viele Terrorverdächtige sein.

Nach dem Willen des Pentagon soll das Gefängnis von Guantánamo selbst nach einem richterlichen Freispruch Endstation für viele Terrorverdächtige sein.

(Foto: Foto: dpa)

Die Erklärung des amerikanischen Verteidigungsministeriums fiel in Zusammenhang mit dem Prozess um Salim Hamdan, den ehemaligen Fahrer von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden. Hamdan ist der erste von den USA als "feindlicher Kämpfer" eingestufte Verdächtige, dem vor einer Militärkommission in Guantánamo der Prozess gemacht wird. Er ist wegen Verschwörung und Unterstützung des Terrorismus angeklagt.

Nach den Aussagen des Pentagon-Sprechers scheint das "lebenslänglich" für Hamdan schon festzustehen - Menschenrechtsorganisationen sind empört.

Die Methoden der US-Regierung seien "hochgradig unfair", sagte Lotte Leicht von Human Rights Watch zu sueddeutsche.de. Hamdam werde ein fairer Prozess verwehrt. Die Ankündigung, Terrorverdächtige länger oder für immer festzuhalten, verurteilt die Organisation.

Niemand könne so lange inhaftiert werden, bis der "Krieg gegen den Terror" vorbei ist, heißt es in einem Thesenblatt der Organisation zum Fall Hamdan vom 5. August 2008. "Das Prozessrecht in Amerika ist in diesem Punkt mehr als nur absurd", sagt Lotte Leicht. "Jemanden mit unfairen Gesetzen zu verurteilen, wird nie gerecht sein." Es unterstreiche die unübersehbaren Probleme im amerikanischen Rechtssystem.

Amnesty International zeigt sich wenig überrascht über die Ankündigung des Pentagon. Es sei "gängige Praxis" im amerikanischen Recht, dass ein Freispruch nicht gleich Freiheit bedeute, so Rob Freer von Amnesty in London im Gespräch mit sueddeutsche.de.

"Seit vielen Jahren ist bekannt, dass sogenannte feindliche Kämpfer auch im Falle eines Freispruchs eines Militärgerichtes auf unbestimmte Zeit inhaftiert werden können", sagte Freer weiter. "Die US-Regierung muss einfach nur entscheiden, dass von dem Häftling Gefahr für die Sicherheit ausgeht."

Hamdan wurde im November 2001 an einer Straßensperre in Afghanistan festgenommen und ein halbes Jahr später ins Gefangenenlager Guantánamo gebracht. Die Ankläger planen für die kommenden Monate Prozesse gegen 20 Guantánamo-Insassen - darunter fünf Männer, die unmittelbar an der Planung der Anschläge vom 11. September 2001 beteiligt gewesen sein sollen. Letztlich sollen etwa 80 Häftlinge vor das Militärtribunal gebracht werden. In Guantánamo Bay sitzen derzeit rund 270 Gefangene ein.

Nicht nur Menschenrechtsorganisationen beobachten die prozessrechtliche Entwicklung in Guantánamo kritisch. Bürgerrechtler in den USA bemängeln das System der Militärkommissionen als verfassungswidrig, weil die Rechte des Angeklagten im Vergleich zu ordentlichen Gerichten eingeschränkt seien.

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