Guantanamo: Terrorverdächtiger vor Militärtribunal:Kind oder Killer

Barack Obama wollte Guantanamo schließen - jetzt steht in dem Gefangenenlager auf Kuba wieder ein Terrorverdächtiger vor einem Militärtribunal. Bei seiner Festnahme in Afghanistan war er 15 Jahre alt - seine Verteidiger sprechen von einem "Kindersoldaten".

"Tötet mich, tötet mich", soll Omar Khadr gerufen haben, als ihn US-Soldaten 2002 in Afghanistan gefangen nahmen. Der 15-jährige Junge kanadischer Herkunft war schwer verletzt und dem Tode nahe. Er überlebte - doch die darauffolgenden acht Jahre verbrachte er in Guantanamo Bay, inmitten erwachsener Terrorverdächtiger.

Omar Khadr

Der Terrorverdächtige Omar Khadr - hier auf einer Gerichtszeichnung - muss sich im US-Gefangenenlager Guantanamo vor einem Militärtribunal verantworten.

(Foto: AP)

An diesem Mittwoch wird ihm der Kriegsverbrecher-Prozess vor einer der Militärkommissionen gemacht, die der frühere US-Präsident George W. Bush eigens zur Verurteilung von Guantanamo-Häftlingen geschaffen hatte. Die Anklage wirft dem inzwischen 23-Jährigen Khadr vor, einen US-Sanitätssoldaten mit einer Handgranate getötet zu haben. Khadr bestreitet das.

Schärfere Bedingungen

Der Sohn des radikalen Muslims Ahmed Khadr, eines gebürtigen Ägypters, der nach Kanada auswanderte und 1993 mit seiner Familie nach Afghanistan zog, war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 15 Jahre alt. Kritiker des Kriegsverbrecher-Prozesses halten es deshalb für einen Skandal, dass er sich vor dem Tribunal verantworten muss. Für Kindersoldaten gelte ein besonderer Schutz.

Zum anderen greifen Khadrs Verteidiger den US-Präsidenten Barack Obama scharf an: Der Bush-Nachfolger hatte im Wahlkampf versprochen, Guantanamo zu schließen. Das ist bislang nicht erfolgt. Dafür verschärfte dessen Regierung aber immerhin die Rahmenbedingungen der Militärtribunale.

So dürfen Beweise, die unter Folter zustande gekommen sind, nicht mehr im Prozess verwendet werden. Genau das, so heißt es von Seiten der Verteidigung, passiere aber im Fall des Kindersoldaten.

Mit Vergewaltigung gedroht

Sie verweisen auf das Geständnis von US-Agenten und Verhörbeamten des Militärs, mit Techniken wie Schlafentzug und unbequemen Positionen Druck auf Khadr ausgeübt zu haben. Einer der Befragten gab zu, dass er dem Kanadier mit Vergewaltigung gedroht habe.

Der zuständige Militärrichter Patrick Parrish entschied dennoch, dass Khadrs Aussagen im Prozess verwendet werden können. Der Anwalt des Angeklagten, Denis Edney, nannte die Entscheidung "schändlich".

Bei einer Verurteilung droht dem Angeklagten lebenslange Haft. Er wurde 2002 in den Trümmern eines Anwesens gefunden, das US-Soldaten zerstört hatten, weil sie darin al-Qaida-Mitglieder vermuteten.

"Massiv eingeschüchtert"

Beim Durchsuchen des Geländes wurde eine Handgranate auf die Amerikaner geschleudert, ein Sanitätssoldat starb. Khadr bestreitet, dass er den Mann tötete - laut US-Augenzeugen war er aber der einzige in dem zerstörten Gebäude, der sich noch regte.

Die Anklage will in dem Prozess Bilder zeigen, die Omar mit anderen beim Bombenbasteln zeigen. Die Verteidigung will wiederum einen ehemaligen Verhörspezialisten aufbieten, der ausgesagt hat, er selbst habe Khadr massiv eingeschüchtert und ihn damit zu einem Geständnis gebracht.

Der Prozess wird Schätzungen zufolge drei Wochen dauern.

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