Guantanamo: Kritik an Obama:"Alarmierende Entwicklung"

US-Präsident Obama zählte zu den Gegnern der Guantanamo-Tribunale. Sein Sinneswandel ruft Menschenrechts- organisationen auf den Plan.

US-Präsident Barack Obama ist mit seinem Festhalten an den umstrittenen Militärtribunalen für Terrorverdächtige in Guantanamo auf harsche Kritik gestoßen.

guantanamo; AP

Obama will das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba bis 2010 schließen

(Foto: Foto: AP)

Amnesty International warf Obama vor, eines seiner zentralen Wahlversprechen gebrochen zu haben. Die Tribunale, die Obama selbst als enormen Fehler bezeichnet habe, müssten abgeschafft werden, forderte der Vertreter der Menschenrechtsorganisation, Rob Freer.

Obama hatte am Donnerstag angekündigt, die Sondergerichte zu reformieren. Sie sollten so zu einem "legitimen Forum für eine Strafverfolgung" gemacht und an die rechtstaatlichen Grundsätze angeglichen werden, hatte der Präsident erklärt. Obama zählte zu den schärfsten Gegnern der speziell geschaffenen Gerichte, die nach Einschätzung von Kritikern gegen die Menschenrechte verstoßen und dem internationalen Ansehen der USA geschadet haben.

"Diese Militärkommissionen sind in ihren Wurzeln nicht rechtmäßig, verstoßen gegen die Verfassung und können zu keinen verlässlichen Urteilen führen", kritisierte Anthony Romero von der American Civil Liberties Union. "An den Vorschriften für diese gescheiterten Tribunale herumzudoktern und davon ein ordentlicheres Verfahren zu erwarten - das ist absurd."

"Gefährliche Experimente"

Kenneth Roth von Human Rights Watch sagte, indem die falsche Idee der Bush-Regierung wiederbelebt werde, rücke Obama auf gefährliche Weise von seinen eigenen Reformvorhaben ab. Das System der Militärtribunale sei "irreparabel fehlerhaft", erklärte der Direktor der Menschenrechtsorganisation.

Es handle sich um eine "alarmierende Entwicklung", erklärte das Zentrum für Verfassungsrechte in Washington, das sich seit Jahren um eine bessere Rechtsstellung der Gefangenen im US-Lager Guantanamo auf Kuba bemüht. Obama habe vor seiner Wahl die Hoffnung geweckt, mit den "gefährlichen Experimenten" seines Amtsvorgängers George W. Bush zu brechen.

Die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve, die sich um die Freilassung des gebürtigen Äthiopiers Binyam Mohamed gekümmert hatte, erklärte, die Militärtribunale seien "strukturell unangemessen" und "unfähig zur Rechtsprechung". Mohamed kam im Februar aus Guantanamo frei.

Der Präsident sei entschlossen, die Militärtribunale "parallel zu den Bundesgerichten als Möglichkeit zur Strafverfolgung von Häftlingen auf Guantanamo" zu nutzen, betonte nun ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Obamas Worten zufolge dürfen künftig Aussagen, die unter verschärften Verhörbedingungen erreicht worden seien, nicht mehr verwendet werden. Auch wird die Nutzung von Zeugenangaben eingeschränkt, die auf Hörensagen beruhen. Angeklagte, die die Aussage verweigern, erhalten einen besseren Rechtsschutz.

Das Gefängnis auf dem US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba wurde 2002 von US-Präsident George W. Bush als Sammellager für Hunderte Terrorverdächtige vor allem aus vorderasiatischen und arabischen Staaten gegründet. Viele von ihnen wurden jahrelang ohne Anklage oder Rechtsbeistand festgehalten. Obama will das Lager wie im Wahlkampf angekündigt schließen, nimmt sich dafür aber Zeit bis 2010.

Frankreich macht den Anfang

Frankreich hat indessen am Freitag einen 42-jährigen Algerier aufgenommen, der nach Feststellungen der US-Justiz sieben Jahre lang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba festgehalten wurde. Der französische Außenamtssprecher Eric Chevallier teilte am Abend mit, Lakhdar Boumediene werde ein beschränktes Visum erhalten, mit dem er nicht die Freizügigkeit des Schengen-Raums in Anspruch nehmen könne.

Boumediene traf an Bord einer US-Militärmaschine in Frankreich ein, der genaue Aufenthaltsort wurde nicht mitgeteilt. Er soll nach Auskunft seines US-Anwalts Robert Kirsch zunächst von Ärzten untersucht werden. Boumediene hatte im Dezember 2006 einen Hungerstreik begonnen und wurde zweimal täglich zwangsernährt. Erst im November 2008 entschied ein Richter des Obersten Gerichtshof der USA, dass er unschuldig ist.

In Frankreich soll Boumediene seine Frau und seine beiden Töchter wiedersehen, die inzwischen 13 und acht Jahre alt sind. Im Herbst 2001 wurde Boumediene zusammen mit fünf anderen Algeriern in Bosnien festgenommen. Er verfügte dort über eine Aufenthaltserlaubnis. Der Verdacht, der auf ihm lastete, bestand darin, dass er einen Anschlag gegen die US-Botschaft in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo vorbereitet habe.

Mit der Aufnahme Boumedienes entschied sich Frankreich als erstes Land der Europäischen Union, einen Ex-Häftling aus Guantanamo aufzunehmen, der nicht seine Staatsbürgerschaft hat und dort nicht wohnhaft war.

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