Guantanamo: Ein Gefangener berichtet:"Die Hölle auf Erden"

Schlafentzug, Elektroschocks, ein Keks pro Tag zum Essen und Folter, "die dich geistig umbringt": Ein Somalier berichtet nach seiner Freilassung von seiner qualvollen Zeit im US-Gefangenenlager Guantanamo.

Langsam, Schritt für Schritt, wird das Wahlversprechen von US-Präsident Barack Obama Wirklichkeit, das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba zu schließen.

Guantanamo, AFP

"Die Hölle auf Erden": Gefangene im Hof von Guantanamo.

(Foto: Foto: AFP)

Vergangene Woche ordnete Obama an, das Thomson Correctional Center im Nordwesten des Staates Illinois für die Bundesregierung zu kaufen. Das Hochsicherheitsgefängnis soll die neue Unterkunft für viele Häftlinge des Lagers auf Kuba werden.

Andere Gefangene, die nicht als gefährlich eingestuft werden, werden nach und nach freigelassen. Am Wochenende waren es sechs Jemeniten, vier Afghanen und zwei Somalier. Mit ihnen kommt auch immer mehr ans Licht, unter welch unmenschlichen Bedingungen die Regierung Bush die mutmaßlichen Terroristen eingesperrt hat.

Der Somalier Mohammed Saleban Bare erzählte nun kurz nach seiner Freilassung der Nachrichtenagentur AFP von seinen Qualen als Gefangener. In dem Lager werde eine Art psychologischer Folter angewendet, "die dich geistig umbringt", sagte der 44-jährige Bare nach seiner Ankunft in der somalischen Stadt Hargeisa.

Folter und Demütigungen machten das Lager zur "Hölle auf Erden". Die Häftlinge würden mit Schlafentzug über mehrere Nächte in Folge gequält. Außerdem würden die Häftlinge ausgehungert und erhielten nur einen Keks pro Tag.

Bei Kälte müssten Häftlinge ohne Decke schlafen. Manche Gefangenen würden noch schlimmer gefoltert, durch Elektroschocks oder Schläge, sagte Bare.

Manche seiner Mitgefangenen hätten ihr Augenlicht oder Gliedmaßen verloren oder seien psychisch krank geworden, berichtete der Somalier. "Ich fühle mich nicht normal, aber ich danke Allah dafür, dass er mich am Leben und frei von körperlichen und seelischen Leiden wie die von manchen meiner Freunde gehalten hat".

Bare war am Wochenende aus dem US-Gefangenenlager entlassen und nach Somalia gebracht worden. Der Mann mit dem kurzen Haar und dem langen Bart war offenbar in guter körperlicher Verfassung, wirkte aber benommen und verunsichert.

Die US-Behörden teilten Bare nach dessen Aussage nie mit, warum er festgehalten wurde. Der Somalier war im Dezember 2001, also kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September, in der pakistanischen Hafenstadt Karachi festgenommen worden.

Er wurde nach eigenen Angaben nach vier Monaten in US-Gefangenenlager in Afghanistan, Kandahar und Bagram verschleppt. Die Haftbedingungen dort seien "rau" gewesen, in Guantanamo sei es jedoch noch schlimmer.

Das US-Lager sei ein Ort, in dem Muslime erniedrigt würden. So werfe das Personal Koran-Exemplare in die Toilette oder spiele während der Gebetszeit besonders laut Musik.

Zu seinen angeblichen Beziehungen zu der somalischen Islamistengruppe El Ittihad el Islamija wollte Bare keine näheren Angaben machen. In Pakistan hatte er sich 2001 nach eigener Aussage mit einigen Verwandten aufgehalten, um der Gewalt im Bürgerkriegsland Somalia zu entgehen und sich um die Aufnahme in einem westlichen Land zu bemühen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: