Grundsatzurteil zu Befreiungskosten:Die Geiseln und das Geld

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Im Ausland entführte Deutsche müssen für ihre Befreiungskosten aufkommen. Bislang gibt sich der Staat beim Eintreiben des verauslagten Geldes großzügig - besonders bei einem Ex-Staatssekretär.

Oliver Das Gupta

Für Reinhilt Weigel hat ihre Entführung in Kolumbien ein finanzielles Nachspiel. Die 36-Jährige unterlag vor dem Bundesverwaltungsgericht an diesem Donnerstag letztinstanzlich mit ihrer Klage.

Ex-Geisel Reinhilt Weigel nach ihrer Freilassung. (Foto: Foto: AP)

Die Vorgeschichte begann im Jahre 2003: Damals kam Weigel nach zehn Wochen in der Gewalt kolumbianischer Rebellen frei. Aus dem Rebellengebiet wurde sie mit einem Hubschrauber geflogen, den die Bundesrepublik gechartert hatte.

Anschließend wollte der Staat das Geld für den Flug in die Freiheit wiederhaben: 12.640 Euro und 5 Cent. Weigel sträubte sich. Nun, nach dem Spruch der Leipziger Richter, ist sie zur Zahlung gezwungen.

Weigel und Susanne Osthoff, Ex-Staatssekretär Chrobog, die Familie Wallert, auch die Techniker Bräunlich und Nitzschke aus Sachsen, sie alle teilen die einschneidende Erfahrung der Geiselhaft: Die Deutschen wurden im Ausland verschleppt, sie bangten um ihr Leben, sie kamen schließlich frei. Ausgelöst wurden die Geiseln durch Geld des deutschen Staates, auch wenn der sich dazu in Schweigen hüllt. Schließlich gilt die Maxime: Deutschland ist nicht erpressbar.

Trotz der offiziellen Nicht-Bestätigungspolitik zum Thema Lösegeld sickerte in den vergangenen Jahren immer wieder durch: Zig Millionen Dollar und Euro fließen seit Jahren in die Kassen von Kidnappern.

Allein für die im Irak entführte Archäologin Susanne Osthoff stellte die Bundesregierung angeblich drei Millionen bereit. Die Londoner Times bezifferte 2006 den Betrag, den die Länder Deutschland, Frankreich und Italien für ihre verschleppten Bürger der vorhergehenden 21 Monate ausgegeben haben mit 45 Millionen Dollar.

Politiker echauffierten sich über die "Vollkasko-Mentalität"

Da die Bundesrepublik Entführern offiziell kein Lösegeld zahlt, kann sie hinterher von den befreiten Bürgern auch keine Erstattung verlangen. Weiteres regelt das Konsulargesetz von 1974: Eine Geisel wird demnach nach ihrer Freilassung nicht anders behandelt als ein deutscher Tourist, der sich in Rimini den Geldbeutel stibitzen lässt. Der Staat verauslagt den Krankentransport, auch Telefonkosten oder die Rückreise nach Deutschland - und kann hinterher das Geld zurückverlangen.

Hier setzte das Auswärtige Amt in der Causa Weigel an. Die Physiotherapeutin bekam nach ihrer Befreiung die Rechnung für den Helikoptertransfer - und zog vor den Kadi.

Durch mehrere Instanzen hat sich Weigel geklagt - mit unterschiedlichem Ausgang. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte sie 2006 in ihrer Auffassung bestätigt. In der nächsten Instanz wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diese enge Auslegung zurück.

Nun hatten die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig eine endgültige Entscheidung zu treffen. Dabei ging es um Grundsätzliches: Wie weit ist der Staat verpflichtet, seinen Bürgern helfen, die im Ausland in Not geraten? Spielt es eine Rolle, ob sich der Betroffene fahrlässig in riskanten Gefilden bewegt? Inwieweit muss er sich mit eigenem Geld beteiligen?

Keine Rechnung für Osthoff

Das Urteil ( Az.: BVerwG 7 C 13.08) fiel eindeutig aus: Deutsche Geiseln im Ausland müssen die bei ihrer Befreiung anfallenden Kosten grundsätzlich erstatten.

Das Konsulargesetz sei auch in solchen Extremfällen eine ausreichende Grundlage für finanzielle Rückforderungen, entschied der siebte Senat des Gerichts.

Mit dem Grundsatzurteil endet auch eine Diskussion auf politischer Ebene. Zwischenzeitlich erregte das Thema namhafte Abgeordnete, die sich als Hüter von Steuergeld gerierten. Vertreter verschiedener Parteien wetterten gegen die vermeintlichen Abenteuer-Urlauber. Von "Vollkasko-Mentalität" war die Rede.

Fakt ist, dass in der Vergangenheit die Rückerstattung der Kosten nach Konsulargesetz sehr unterschiedlich gehandhabt wurde: Die im Jahre 2000 auf den Philippinen entführte Familie Wallert musste rund 6500 Euro zahlen, die neun in der Sahara verschleppten Deutschen je etwa 2300 Euro.

Susanne Osthoff bekam gar keine Rechnung - sie wollte nach ihrer Freilassung nicht nach Deutschland reisen.

Günstig kam auch Jürgen Chrobog weg: Der langjährige Staatssekretär im Auswärtigen Amt war mit seiner Familie Weihnachten 2005 im Jemen entführt worden. Er flog mit seiner Frau und den drei Söhnen in einer Challenger der Luftwaffe in die Heimat zurück, Flugkosten: rund 14.000 Euro.

Der Ex-Diplomat bot an, die Flugkosten zu übernehmen, doch sein ehemaliger Arbeitgeber entschied anders. Begründung: Der Jet sei ja ohnehin im Jemen gewesen. Familie Chrobog musste pro Person 459,42 Euro zahlen.

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