Grünen-Politiker will Steuerabkommen retten:Besser als nichts

Die Mängel des Abkommens räumt er ein, trotzdem stellt sich Thomas Gambke im Steuerstreit mit der Schweiz gegen die Meinung der eigenen Partei. Der Grünen-Politiker will lieber das jetzige Steuerabkommen als gar keins - und legt einen Kompromissvorschlag vor.

Claus Hulverscheidt

Wer so viel erlebt hat, der hat auch keine Angst mehr vor Claudia Roth. Als Thomas Gambke 2009 für die Grünen in den Bundestag einzog, war der damals 60-Jährige schon Top-Manager beim Technologiekonzern Schott und selbständiger Unternehmer gewesen, hatte Firmen in Japan, China und Thailand mitaufgebaut, als Wissenschaftler in San Diego gearbeitet und seinen Doktor in Physik gemacht.

NRW befeuert Steuerstreit mit der Schweiz

Scheitert das geplante Steuerabkommen, bliebe den Behörden nichts anderes übrig, als weiter illegale CDs mit Daten von Steuerhinterziehern zu kaufen. Der Grünen-Politiker Gambke plädiert deshalb, unter Bedingungen, für das jetzige.

(Foto: dapd)

Vielleicht sind es diese Erfahrungen aus dem wahren Wirtschaftsleben, die ihn jetzt dazu bewogen haben, sich in einer wichtigen Frage dem Mainstream in seiner Partei, der Opposition, ja, der Bevölkerung in den Weg zu stellen: Gambke ist für das so heftig umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz - wenn sich Bern in einem zweiten Pakt zugleich zu mehr Transparenz verpflichtet.

Für SPD und Grüne ist der Vertrag, den die Finanzminister Wolfgang Schäuble und Eveline Widmer-Schlumpf ausgehandelt haben, gleich in doppelter Hinsicht ein gefundenes Fressen. Zum einen hat er gravierende Schwächen, wie selbst Befürworter einräumen: Der Mindestsatz von 21 Prozent für die Belastung unversteuerter deutscher Altvermögen in der Schweiz ist ausgesprochen niedrig, die Namen der Kontobesitzer sollen auch in Zukunft geheim bleiben, und die Zahl der Anfragen, die deutsche Behörden in Verdachtsfällen an die Schweiz richten können, wird limitiert. Vor allem aber sind viele Bundesbürger offenbar gerade dabei, ihre Guthaben aus der Schweiz abzuziehen und sie anderswo vor dem Fiskus zu verstecken.

Zum anderen kommt der vermeintlich laxe Umgang Schäubles mit Steuerflüchtlingen für die Gabriels, Trittins und Roths dieser Welt vor dem Bundestagswahlkampf natürlich gerade recht - ein strategisches Argument, das Gambke zwar kennt, aber nicht akzeptiert. "Wir müssen die in der Schweiz liegenden bisher unversteuerten Vermögen von deutschen Staatsbürgern endlich einer Besteuerung zuführen", sagt er. "Die Menschen erwarten zu Recht von uns, dass wir in der Sache weiterkommen." Deshalb müssten Deutsche und Schweizer, Regierung und Opposition "diese Konfrontation, in der wir seit Monaten feststecken, dringend überwinden".

Dabei sind dem grünen Bayern, der in Rimsting am Chiemsee geboren wurde und heute in Landshut lebt, die Mängel des Abkommens keineswegs verborgen geblieben. Was den Unternehmer Gambke aber von Parteifreunden wie dem Attac-Mitbegründer und EU-Parlamentarier Sven Giegold unterscheidet, ist: Giegold argumentiert nach der Maxime "Besser kein Abkommen als dieses", Gambke sieht es - unter Bedingungen - anders herum: Besser dieses Abkommen als keins.

"Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip"

Der Grund: Scheitert der Vertrag am Widerstand der rot-grünen Länder im Bundesrat, dürfte es Jahre dauern, bis ein neuer ausgehandelt ist. So lange bliebe den Behörden nichts anderes übrig, als weiter illegale CDs mit Angaben über Bundesbürger mit Schweizer Konto zu kaufen - eine Praxis, die nicht nur die Bundesregierung als "Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip" geißelt.

Natürlich könnten Schäuble und Widmer-Schlumpf die Wünsche der Opposition einfach in den Vertrag einarbeiten. Nach dem monatelangen erbitterten Streit in und zwischen beiden Ländern stehen sie jedoch unter so starkem innenpolitischen Druck, dass Neuverhandlungen ohne Gesichtsverlust kaum mehr möglich sind - auch wenn sich mehrere FDP-Politiker zuletzt offen für Neuverhandlungen zeigten, darunter auch der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner.

Gambke hat deshalb eine Kompromissidee ersonnen. Demnach wird das Abkommen wie geplant ratifiziert und am 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt. Zugleich sagt die Schweiz in einer zweiten Vereinbarung zu, dass sie dem deutschen Fiskus Gruppenabfragen nach dem sogenannten OECD-Standard, also eine Art Rasterfahndung, erlaubt.

Außerdem müsste Bern den heimischen Behörden einen nicht-konditionierten Informationsaustausch entsprechend der EU-Zinsrichtlinie mit Deutschland gestatten. "Das sollte kein Problem sein, weil die Schweiz erst vor wenigen Wochen genau das auch den USA zugesagt hat", sagt Gambke, der für seine Fraktion im Finanzausschuss des Bundestags sitzt. "Und es gibt keinen Grund, warum sich die EU mit weniger zufrieden geben sollte."

Um auch solche Vermögen in die Besteuerung einzubeziehen, die in Drittstaaten verschoben wurden, müssen Gruppenabfragen aus Sicht des Grünen auch für mehrere Jahre rückwirkend möglich sein: "Der bisher diskutierte Termin 1. Januar 2011 reicht nicht aus. Ich stelle mir eher 2007 oder 2008 vor." Die Frage, ob deutsche Vermögen in der Schweiz rückwirkend pauschal mit Sätzen von 21 bis 41 Prozent belastet werden oder ob diese Sätze höher sein müssten, ist dagegen aus Gambkes Sicht nicht entscheidend. "Wichtiger als die Bewältigung der Vergangenheit ist, dass wir eine vernünftige und wasserdichte Regelung für die Zukunft bekommen. Wenn das Abkommen an der Frage des Mindeststeuersatzes scheitern sollte, verlieren wir unendlich viel Zeit - Zeit, in denen Tausende Fälle von Steuerhinterziehung verjähren würden. Das kann niemand wollen."

Sollte die Schweiz eine Parallelvereinbarung allerdings verweigern, ist auch Gambke dafür, den Vertrag scheitern zu lassen. "In der aktuellen Form", sagt er, "kann das Steuerabkommen nur abgelehnt werden."

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