Grüne und FDP:Nordische Kombination

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Vielen Grünen gilt eine Koalition mit den Liberalen als unerträglich. Lange waren sie die Lieblingsgegner. In Schleswig-Holstein aber könnte eine Zusammenarbeit der beiden Parteien funktionieren.

Von Stefan Braun

"Keine unüberwindlichen Hindernisse": FDP-Mann Wolfgang Kubicki ist offen für Gespräche mit den Grünen. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Am Abend, in diesem kurzen Moment des süßen Erfolgs, jubelten die Grünen wie lange nicht in ihrer Berliner Parteizentrale. Katrin Göring-Eckardt, der Spitzenkandidatin im Bund, tat es sichtlich gut, in der ansonsten nicht so guten Stimmung, einmal durchzuatmen. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner, der seit vier Jahren viele Lasten trägt, aber bislang wenig erntet, plauderte entspannt über die gute Strategie der Truppe im hohen Norden. Und Parteichefin Simone Peter strahlte übers ganze Gesicht, was bei den aktuellen Umfragewerten der Bundespartei auch nicht jeden Tag der Fall ist.

Peter war es auch, die schon kurz danach auf die ihr eigene Art deutlich machte, was sie am meisten umtrieb. "Alles besser als Jamaika", erklärte die Parteichefin und schaute dabei gleich mal ein bisschen zerknirscht. Was erstens bewies, dass sie schnell spürte, was auf die Grünen zukommen könnte; und was zweitens zeigte, welche Abscheu Peter mit dieser Perspektive verbindet.

Jamaika - das ist für die Grünen bis heute ein ganz schwieriges Thema. Für Peter auch deshalb, weil sie so eine Koalition selbst einst im Saarland versucht hat. Aber diese Form von Dreier-Bündnis ist nicht nur für die Saarländerin, sondern für sehr viele Grüne nach wie vor eine besonders schwere Klippe. Der Grund: In dieser Konstellation müssen sie gleich zwei Partner akzeptieren, mit denen sie sich über Jahrzehnte nicht eben verbunden fühlten. Dabei galt die Idee, mit den Liberalen zu koalieren, lange Zeit als unerträglich. Zu groß waren die persönlichen Animositäten zwischen den führenden Politikern. In Zeiten eines Guido Westerwelle und eines Jürgen Trittin galten sie als unüberwindlich.

Für die Grünen ist das Ergebnis ein Erfolg - und Enttäuschung zugleich

Dass Monika Heinold und Robert Habeck, die beiden grünen Wahlsieger in Schleswig-Holstein, am Montag trotzdem über Ampel und Jamaika sprechen, hängt damit zusammen, dass im Land zwischen den Meeren die persönlichen Beziehungen entspanntere sind - und das seit Jahren. Heinold erzählt bei ihrem Auftritt in Berlin, vor allem die Zeit, als CDU und SPD in Kiel in einer großen Koalition regierten, habe Grüne und Liberale nähergebracht. In der Phase der gemeinsamen Opposition sei man zu sprechfähigen Partnern geworden. Außerdem hätten frühere Erfahrungen alle Parteien im Land dazu gebracht, einen vernünftigen Umgang miteinander zu pflegen. "Unter Demokraten muss es möglich sein, über Koalitionen zu reden", sagt Heinold in Berlin. Sie meint damit alle, außer der AfD. Ähnlich hatte sich am Vorabend schon Robert Habeck eingelassen. Was bei ihm damit zu tun haben dürfte, dass er seit Jahren sportlich-freundliche Kontakte zu FDP-Frontmann Wolfgang Kubicki gepflegt hat.

So gesehen überrascht es nicht, dass Kubicki sich am Montag sehr aufgeschlossen zeigt. Man stehe in Schleswig-Holstein vor "sehr interessanten Gesprächen", sagt Kubicki beim gemeinsamen Auftritt mit Parteichef Christian Lindner. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen die Grünen noch sehr ideologisch agieren würden, sei die Lage im hohen Norden komplett anders. Ja, es gebe auch hier noch immer "eine Vielzahl von Unterschieden in Sachfragen". Aber es gebe "keine unüberwindlichen Hindernisse". Kubickis zentrale Botschaft: Wenn wir vernünftig bleiben, werden wir das hinbekommen.

Umstritten bleibt an diesem Tag deshalb nicht die Frage, ob Grüne und Liberale in Schleswig-Holstein Sondierungsgespräche versuchen möchten. Umstritten bleibt die Frage, wer der große, der dritte Partner sein soll. Die Grünen tendieren naturgemäß zu den Sozialdemokraten, mit denen sie bislang regiert haben. Ob Habeck, ob Heinold - beide betonen, dass sie mit dem Noch-Ministerpräsidenten Torsten Albig und seiner SPD gut kooperiert hätten. Heinold sagt mehrmals, dass der Abend für die Grünen nicht nur einen Erfolg, sondern auch eine "tiefe Enttäuschung" gebracht habe - eben weil die SPD verloren hat. Dabei macht sie allerdings deutlich, dass es bei den anstehenden Gesprächen auf inhaltliche Schnittmengen ankomme, nicht auf Personen. Was jeder, der will, als Hinweis darauf lesen kann, dass auch die Grünen den Wahlverlierer Torsten Albig eigentlich für nicht mehr tragbar halten.

Kubicki wird deutlicher. Er schließt ein Bündnis mit Albig aus; alles andere könne man nach diesem Wahlergebnis weder der eigenen Partei noch den Menschen im Land erklären. Er setzt auf eine Koalition mit der CDU und kann dabei womöglich von einem besonderen Glück profitieren. Dem "Glück", dass die Grünen vor den Liberalen liegen. Das mag merkwürdig klingen, immerhin will bei Wahlen eigentlich jede Partei so viele Stimmen wie möglich erhalten. Aber dadurch, dass die Grünen in Kiel vor der FDP liegen, können sie selbstbewusst in Gespräche gehen - und könnten, wenn sie in der Sache einige zentrale Anliegen durchsetzen, Jamaika bei den eigenen Leuten besser durchsetzen.

Wie schwer das grundsätzlich werden dürfte, demonstrieren am Montag Sylvia Löhrmann und Christian Lindner. Die Grüne und der Liberale treten am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen gegeneinander an - und lassen kein gutes Haar am jeweils anderen. Undenkbar sei Jamaika; viel schärfer sei die Lagerbildung; völlig inakzeptabel, verkrustet, alt sei der politische Gegner. In Kiel mag Neues möglich sein - in Düsseldorf dagegen dürfte ein Bündnis zwischen Grün und Gelb unmöglich bleiben.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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