Grüne:Trittin contra Kretschmann

Die Grünen streiten über die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Jürgen Trittin stellt sich Kretschmann in den Weg.

Von Michael Bauchmüller und Nico Fried, Berlin

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erntet für seine Kompromissfreudigkeit in der Asylpolitik zunehmend Kritik aus der eigenen Partei. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin warnte davor, die Liste sicherer Herkunftsstaaten um die Länder Algerien, Marokko und Tunesien zu erweitern - wie sie Kretschmann unter Bedingungen billigen will. "Amnesty International, aber auch das US State Department kritisieren die Menschenrechtslage in den Maghreb-Staaten", sagte Trittin dem Spiegel. Auch deutsche Stiftungen zögen Mitarbeiter dort wegen der Sicherheitslage ab. "Diese Fakten kann man nicht einfach ausblenden."

"Gegenseitige Vorwürfe sind wenig hilfreich", sagt Fraktionschef Hofreiter

Drei Wochen vor den Landtagswahlen findet sich Kretschmann so zwischen den Fronten wieder. Die Bundesregierung verspricht sich leichtere Abschiebungen von Asylbewerbern, sobald die drei nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt sind. Dazu allerdings braucht sie die Zustimmung des Bundesrats und damit auch von Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren. Kretschmann ist der Verhandlungsführer der Grünen im Bundesrat und offenbar zu Kompromissen bereit. Vergangene Woche deutete er die Bedingungen an, unter denen er einer Ausweitung der Liste zustimmen würde. Der Regierungschef setzt sich für ein Bleiberecht für Ausländer ein, die seit langem in Deutschland geduldet werden. Bundesweit spricht er von 20 000 Betroffenen. Es sei unvernünftig, Ausländer in ihre Heimatländer zurückzuschicken, wenn sie in Deutschland schon Wurzeln geschlagen hätten. Eine solche Altfallregelung könne zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlasten, wirbt Kretschmann. Die CSU hält dem Vernehmen nach wenig von der Idee. Trittin dagegen warnt davor, eine Frage wie die Ausweitung sicherer Herkunftsländer innenpolitisch zu "verdealen". Man dürfe "nicht von der Bekämpfung von Fluchtursachen reden, diese dann aber per Bundesratsbeschluss einfach für nicht existent erklären." Trittin gehört dem linken Parteiflügel an, Kretschmann dagegen dem Realo-Lager. An der Parteibasis regt sich ebenfalls Widerstand gegen die Ausweitung der Liste, auch Parteichefin Simone Peter hatte den Vorstoß der Bundesregierung in der vergangenen Woche scharf kritisiert. Schon die Ausweitung um die sicheren Herkunftsländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina hatte den Grünen 2014 einigen Streit beschert. Auch damals hatte Kretschmann einer Änderung des Asylrechts zugestimmt.

Greens Party Holds Federal Congress

Kritik an Kretschmanns Asylkompromiss kommt zunehmend aus der eigenen Partei, zum Beispiel von Jürgen Trittin (vorne).

(Foto: Carsten Koall/Getty Images)

Derweil bemüht sich Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, den neuerlichen Streit in der Partei zu entschärfen. "Die Debatte um die sicheren Herkunftsländer wird von allen Grünen ernsthaft und gewissenhaft mit Blick auf die Lage vor Ort und die innenpolitische Verantwortung geführt", sagte Hofreiter der SZ. "Gegenseitige Vorwürfe sind da wenig hilfreich."

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