Grüne:Streit voraus

Die bevorstehenden Gespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition im Bund prägen die erste Sitzung der Grünen-Bundestagsfraktion. Die alte Führungsmannschaft um Göring-Eckardt und Hofreiter macht erst einmal kommissarisch weiter.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Fröhliche Gesichter, ernste Bedenken und bestens bekannte Hauptdarsteller: Am Dienstag sind die Grünen im Bundestag zur konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Auf der Tagesordnung standen die Sondierungsgespräche mit Union und FDP. "Einfach wird es nicht", sagte die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth mit Blick auf eine mögliche Jamaika-Koalition im Bund. Roth kandidiert erneut für einen Stellvertreterposten im Präsidium. "Claudia Roth ist genau die Richtige, wenn in diesen neuen Bundestag Rechtsradikale und Feinde der weltoffenen Gesellschaft einziehen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Sie werde dafür sorgen, dass im Bundestag weiter demokratische Werte und "menschlicher Anstand" gepflegt würden.

Die Grünen lassen bis zum Ende der Koalitionsgespräche ihren geschäftsführenden Fraktionsvorstand kommissarisch im Amt. Fraktionschefs bleiben vorerst Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter. Man müsse arbeitsfähig bleiben, hieß es dazu offiziell. Denn bis klar sei, ob die Grünen künftig mitregieren oder nicht, könne einige Zeit vergehen. Die Fraktion hat eine Neuwahl aber auch vertagt, um nicht vorzeitig zu verraten, wer im Fall einer Jamaika-Koalition ein Ministeramt übernehmen soll. Fraktionschefin Göring-Eckardt und Parteichef Cem Özdemir gelten hier als gesetzt. Für das dritte Ministerium, das den Grünen zustünde, müsse eine Frau her, sagen grüne Frauen. Muss nicht sein, findet mancher grüne Mann. Im Übrigen, so Fraktionschef Hofreiter, bräuchten Partei und Fraktion jetzt Zeit, "um vernünftig zu beurteilen", ob sich mit FDP und Union eine "stabile Regierung" bilden lasse.

Jürgen Trittin warnt vor "Abschiebezentren", wie sie die Union fordere

Zu Diskussionen gab das Kompromisspapier von CDU und CSU zur Flüchtlings- und Einwanderungspolitik Anlass. Neben einem jährlichen Kontingent von 200 000 Schutzbedürftigen, die nach Deutschland kommen dürfen, wollen die Unionsparteien unter anderem durchsetzen, dass die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Jürgen Trittin, der zum Verhandlungsteam der Grünen gehört, kritisierte diesen Vorschlag scharf. Er laufe "auf ein Aushebeln grundlegender menschenrechtlicher Standards hinaus", sagte er der Rheinischen Post. Die Grünen müssen hier mit maximalem Widerstand rechnen.

Umso größer dürfte ihr Ehrgeiz werden, Familienzusammenführung für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz durchzusetzen. Die meisten von ihnen kommen aus dem syrischen Bürgerkrieg, der Familiennachzug ist für sie ausgesetzt. Union und FDP wollen dabei bleiben, die Grünen nicht. Wenigstens die nächsten Angehörigen müssten nachkommen können. Trittin nannte die dauerhafte Unterbindung des Familiennachzugs "eine Verleugnung urchristlicher Werte", die allen Integrationsbemühungen entgegen laufe. Die von CDU und CSU geplanten "Entscheidungs- und Rückführungszentren", in denen Flüchtlinge künftig bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag festgehalten werden sollen, seien nichts anderes als "Abschiebezentren", sagte der ehemalige Umweltminister.

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