Grüne Spitzenkandidatur für Bundestagswahl:Realos gegen Roth

Wer führt die Grünen in die Bundestagswahl? Seit Monaten gärt in der Partei die K-Frage, nun steht der Showdown bevor: Der Realo-Flügel will mit Katrin Göring-Eckhardt in den Wahlkampf ziehen und drängt Parteichefin Claudia Roth zum Verzicht. Grünen-Veteran Ströbele pocht auf eine klare Ansage der Bundestagsvizepräsidentin.

Oliver Das Gupta

"Grüne gegen Roth": Mit diesem Wortspiel titelt die tageszeitung an diesem Freitag. Das Foto der Grünenpolitikerin Katrin-Göring-Eckhardt darunter legt nahe, dass Parteichefin Claudia Roth bald Ärger bekommen könnte. Ein Eindruck, der sich bei der Lektüre eines Interviews im Blattinneren erhärtet, das die linksalternative Zeitung mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer geführt hat und das als Generalangriff auf Roth gewertet werden darf.

Claudia Roth, Parteichefin der Grünen

Der Grünen-Realo Palmer schlägt Kathrin Göring-Eckhardt als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl vor - gegen die Parteichefin Claudia Roth (Bild).

(Foto: dapd)

Es geht um die Frage, wer die Partei in die Bundestagswahl im September 2013 führen soll. Die Realos denken seit längerem: Claudia Roth nicht. Jetzt sagt es Palmer öffentlich. Den Grünen steht nun eine Debatte mit ungewissem Ausgang bevor. Nur eines scheint sicher: Einer der "Großen" in der Partei dürfte dabei leer ausgehen.

Claudia Roth hat ihren Anspruch auf die Spitzenkandidatur schon angemeldet. Für den zweiten Platz im Führungsduo interessieren sich sowohl Jürgen Trittin als auch Renate Künast, beide führen gemeinsam die Bundestagsfraktion. Trittin hat bessere Aussichten, weil Künast als Spitzenkandidatin ihre hochgesteckten Ziele bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl klar verfehlt hat.

Seit Monaten diskutieren grüne Strategen intern, ob es nicht besser wäre, das Gesicht der Partei vor der Wahl zu erneuern. Doch bislang blieben entsprechende Überlegungen weitgehend im Verborgenen.

Nun geht der Tübinger Oberbürgermeister konfrontativ zur Sache: Er räumt seiner Partei mit einem Spitzenduo Roth/Trittin schlechte Chancen bei der Bundestagswahl ein. Die Parteichefin und der Fraktionsvorsitzende ließen "relevante Wählermilieus" außen vor, sagt Palmer und führt seine strategischen Überlegungen aus: "Die Grünen müssen 2013 nicht nur ihre Kernklientel ansprechen, sondern auch bürgerliche Milieus in der Mitte, die zum Beispiel bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg gewonnen wurden. Das traue ich Roth und Trittin im Tandem nicht zu."

Als personelle Alternative nennt der Schwabe einen Namen, der schon seit längerem in Realo-Kreisen kursiert: Katrin Göring-Eckardt. Die Bundestagsvizepräsidentin pflege einen "überlegten, unaufgeregten Politikstil, nicht unähnlich dem von Winfried Kretschmann", sagt Palmer mit Blick auf Baden-Württembergs Landesvater. "Mit ihr würden die Grünen auch bürgerliche Wähler der Mitte oder kirchlich orientierte Kreise gewinnen."

Ströbele nimmt Roth in Schutz

Der grüne Veteran Hans-Christian Ströbele hält die Wortmeldung aus Tübingen "irritierend". Mit dem Blick auf Palmer sagte er zur Süddeutschen Zeitung: "Es ist merkwürdig, dass diejenigen, die bislang sagen, es gebe bei den Grünen keine Parteiflügel mehr, plötzlich mit Flügelzugehörigkeit argumentieren."

Demonstrativ nahm Ströbele Parteichefin Roth in Schutz. Sie stehe für die ganze Bandbreite der Grünen. "Daran ändert auch die Kaffeesatzleserei manch lieber Parteifreunde über eine angebliche Bindung von Wählermilieus nichts." Der Parteilinke Ströbele forderte Katrin Göring-Eckhardt auf, sich zu erklären. "Sie soll offen sagen, ob sie sich bewirbt".

"Sie ist eine interessante Option"

Andere Grüne wie der niedersächsische Landeschef Jan Haude fordern, man möge "offen darüber diskutieren, mit welchem Spitzenteam" man in die Wahl ziehe. Für Palmers Vorschlag kann er sich grundsätzlich erwärmen: "Auch Katrin Göring-Eckardt ist eine interessante Option und als Spitzenkandidatin grundsätzlich vorstellbar", sagte er zu Süddeutsche.de.

ARD-Talkshow 'Guenter Jauch'

Bei Jauch war sie auch: Katrin Göring-Eckhardt diskutierte im Januar über den damals noch bevorstehenden Rücktritt von Wulff in der ARD.

(Foto: dapd)

Wertvoll für die Partei ist die Bundestagsvizepräsidentin vor allem deshalb, weil ihr Renommee in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist. Als Präses der Synode der Evangelischen Kirche diskutierte Göring-Eckhardt mit Papst Benedikt XVI. bei dessen Deutschlandbesuch im vergangenen Jahr. Und als nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ein neues Staatsoberhaupt gesucht wurde, galt Göring-Eckhardt als mögliche Kandidatin.

Bayerns Grünen-Chef drängt auf Entscheidung der K-Frage

Ob sie nun als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl gehen möchte, will sie offiziell will noch nicht erklären, eine entsprechende Süddeutsche.de-Anfrage blieb ohne Antwort. Doch Parteifreunde raunen schon seit Monaten, Göring-Eckhardt stehe bereit. Einige ihrer Anhänger hofften bislang, die Sache könnte geräuschlos über die Bühne gehen, indem Roth von sich aus ihre Kandidatur zurückzieht.

Nun kommt es womöglich eher zu einem offenen Showdown, auch wenn Parteifunktionäre wie Dieter Janecek diesen gerne vermeiden würden. Der bayerische Grünen-Chef, zu dessen Landesverband auch die Augsburgerin Claudia Roth gehört, drängt auf eine baldige Entscheidung in der K-Frage: "Es ist an der Zeit, dass unsere Führungsgremien zu einem gemeinsamen Vorschlag kommen", sagte Janecek zur SZ. Langweilig wird es den Grünen in der parlamentarischen Sommerpause dann wohl nicht.

In der aktuellen taz-Ausgabe stehen übrigens auch diese beiden Sätze: "Wir Grünen müssen 2013 auch Menschen gewinnen, denen Werte jenseits des Ökonomischen besonders wichtig sind. So, wie es uns in Baden-Württemberg gelang." Sätze, die nach Boris Palmer klingen. Aber von Katrin Göring-Eckhardt stammen.

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