Grüne rangeln um Spitzenkandidaten:Die letzte Schlacht der grünen Dinos

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Inhalte, Inhalte, Inhalte. Dafür wollen die Grünen stehen. Umso erstaunlicher, mit welcher Härte der Machtkampf um die Spitzenkandidatur 2013 geführt wird. Jürgen Trittin, Claudia Roth und Renate Künast streiten um die letzte Chance, ihrer Karriere neuen Schwung zu geben. Wer kann mit wem? Gibt es eine weibliche Doppelspitze? Oder ein Quartett mit Katrin Göring-Eckardt?

Thorsten Denkler, Berlin

Wer sind die Grünen und wenn ja, wie viele? Die Partei hat etwa 60.000 Mitglieder, aber im Bundestagswahlkampf sollen einige Ausgewählte die Außendarstellung übernehmen. Wer und wie viele - das ist unklar. Fest steht nach diesem Wochenende nur: Es gibt mindestens vier Spitzengrüne, die sich bewerben.

Claudia Roth und Jürgen Trittin: Werden die Grünen von zwei Parteilinken in die Bundestagswahl 2013 geführt? (Foto: dpa)

Erklärt haben sich Parteichefin Claudia Roth, die Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast sowie die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Wobei Letztere sich nur in einem Spitzenteam wiederfinden will, in dem alle vier mitmachen.

Die stille Göring-Eckardt hätte im Kampf der drei grünen Dinos um einen Platz in einer Doppelspitze ohnehin nur eine Außenseiterchance. Die anderen drei werden beinhart kämpfen. Es geht nicht allein um die für die Grünen an sich eher bedeutungslose Position der Spitzenkandidaten. Dass die Grünen in die Verlegenheit kommen könnten, den Kanzler stellen zu müssen, daran haben selbst in der Hochphase mit Umfragewerten von mehr als 20 Prozent vor einem Jahr nur die wenigsten geglaubt.

Wichtiger ist nach der Wahl

Viel wichtiger ist diese Position für den Tag nach der Wahl, wenn es womöglich darum geht, wer in einer roten-grünen Regierung was wird. Trittin und Künast wollen wieder Minister werden, das steht fest. Ob Claudia Roth darauf auch so scharf ist, ist nicht ausgemacht. Allerdings ist sie 2013 mit kurzer Unterbrechung seit zwölf Jahren Parteivorsitzende. Gut möglich, dass auch sie ihren Namen im Spiel halten möchte, wenn es etwa darum gehen sollte, das Entwicklungshilfeministerium zu vergeben. Roth ist Spezialistin auf diesem Fachgebiet.

Eines haben die Kandidaten Trittin, Künast und Roth gemeinsam: Die Bundestagswahl 2013 dürfte ihre letzte Chance sein, ihren politischen Karrieren noch einmal neuen Schwung zu geben. Scheitern sie, ist der längst überfällige Generationenwechsel unausweichlich. Auf einem kleinen Parteitag der Grünen Anfang September aber müssen die Delegierten zunächst die Grundsatzfrage klären: Team oder Duo?

Entscheiden sie sich für ein Team, dann ist der Machtkampf faktisch beendet - alle Genannten könnten mitmachen. Allerdings hat diese Lösung mindestens zwei Verlierer: Trittin und Künast. Beide bewerben sich im Moment ausschließlich auf einen Posten im Spitzenduo. Die Teamlösung halten sie für falsch. Claudia Roth hingegen, die ihre Bewerbung schon im Frühjahr öffentlich machte, konnte sich von Beginn an beides vorstellen: Team und Duo.

Drei Paare sind möglich

Der Charme der Teamlösung läge darin, mit Göring-Eckardt einem zwar bekannten aber noch vergleichsweise frischen Gesicht eine Position in der ersten Reihe zu geben. Die mit 46 Jahren im Vergleich zu den anderen Kandidaten noch junge Realo-Frau aus dem Osten könnte neue Wählerschichten gewinnen. Seit 2009 ist sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Entscheiden sich die Delegierten aber für ein Duo, wird es wohl eine Urwahl geben müssen; eine Premiere für die Grünen. Göring-Eckardt dürfte sich aus dem anschließenden Wettkampf der drei Urzeit-Grünen heraushalten. Dafür sind ihre Chancen zu gering, einen von ihnen ausstechen zu können.

In welcher Konstellation das Spitzenduo auftreten wird, liegt dann in der Hand der Parteibasis. Drei Paare sind möglich.

Spitzenpersonal in spe bei den Grünen
:Roth für Grün in Ewigkeit, Amen

Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen Trittin - seit Jahrzehnten wird das Bild der Grünen von den gleichen Personen bestimmt. Gibt es wirklich niemanden sonst, der an der Spitze mitmischen könnte? Wir hätten da noch ein paar Kandidaten.

[] Jürgen Trittin und Renate Künast haben schon Erfahrung miteinander: 2005 haben sie die Grünen zu ihrem bis dahin besten Bundestagswahlergebnis und in die Opposition geführt. Schon damals lief nicht alles reibungslos. Die beiden verzettelten sich in einer Debatte über die Frage, ob nicht auch eine Ampelkoalition mit der FDP möglich sein müsse. Manche sagen, die Grünen hätten ohne diese Debatte noch viel besser abschneiden können.

Spitzenpersonal in spe bei den Grünen
:Roth für Grün in Ewigkeit, Amen

Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen Trittin - seit Jahrzehnten wird das Bild der Grünen von den gleichen Personen bestimmt. Gibt es wirklich niemanden sonst, der an der Spitze mitmischen könnte? Wir hätten da noch ein paar Kandidaten.

Als Fraktionschefs im Bundestag arbeiten beide gut zusammen. Nach ihrer gefühlten Niederlage bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat Künast, die angetreten war, Regierende Bürgermeisterin zu werden, viel Kritik einstecken müssen. Trittin hat jedoch kein böses Wort über sie verloren. Das Duo ist zwar keine besonders innovative Idee, aber aus Sicht der Parteiflügel dürfte es erste Wahl sein. Ein linker Mann, eine Realo-Frau - das würde dem Proporzdenken entsprechen.

[] Schwieriger, aber nicht ohne Chancen wäre die Konstellation Trittin und Claudia Roth. Beide gelten als Parteilinke. Das könnte der Basis missfallen, auch wenn sich beide bemühen, die Flügelfrage außen vor zu lassen. Roth ist zuweilen von entwaffnender Lebendigkeit, was ein guter Kontrast wäre zum staatstragend bis krawallig auftretenden Trittin. Echte Freunde waren die beiden nie, aber sie haben miteinander leben gelernt. Sie wissen, was die Partei am jeweils anderen hat.

Trittin nimmt Roth jedoch übel, dass die ihre Kandidatur ausdrücklich mit der Absicht verbunden hat, zu verhindern, dass ein Mann alleine Spitzenkandidat der Grünen wird. So eine Rolle hätte Trittin durchaus gefallen. Selbst wenn Roth nicht Teil des Spitzenduos wird, kann sie schon als ihren Erfolg verbuchen, dass es eine Doppelspitze geben wird, in der höchstens ein Mann mitmischt.

[] Möglich ist auch eine Doppelspitze aus zwei Frauen. Und zwar dann, wenn die Parteibasis Renate Künast und Claudia Roth ganz oben sehen will. Für Roth und Künast hieße das: Sie müssten sich erst mal zusammenraufen. Beiden wird ein eher unterkühltes Verhältnis zueinander nachgesagt.

In den Wochen nach Künasts Niederlage bei der Berliner Wahl hat Roth durchaus allergisch auf die Versuche ihrer Parteifreundin reagiert, jede Schuld von sich zu weisen. Erst in letzter Sekunde und viel zu spät hat Künast in Roths Augen aufgehört, mit der CDU anzubandeln. Inzwischen aber tritt Künast ruhiger und selbstkritischer auf, was der Parteichefin gefallen dürfte.

Sollten am Ende tatsächlich Roth und Künast die Partei in die Bundestagwahl 2013 führen, könnte sich die Berlin-Schlappe für Künast noch als wertvolle Erfahrung entpuppen. Entweder, weil sie ihre Fehler kaum wiederholen wird und dadurch womöglich ein besseres Ergebnis einfährt. Oder, weil die Grünen abermals hinter den Erwartungen zurückbleiben könnten.

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