Grüne: Parteitag in Freiburg:Die Partei der Zumutungen

Alles, was nach Streit riecht, haben die Grünen auf ihrem Parteitag in Freiburg abgeräumt, Geschlossenheit soll den Erfolg sichern. Von ihren Wählern erwarten sie einige Opfer, wenn es für eine gute Sache ist - ob die sich das bieten lassen?

Thorsten Denkler, Freiburg

Winfried Kretschmann ist der meistzitierte Grüne auf dem Parteitag in Freiburg. Kretschmann ist Fraktionschef der Landtag von Baden-Württemberg und hat beste Chancen, nach dem Wahltag in seinem Bundesland am 27. März erster grüner Ministerpräsident der Republik zu werden.

Führen die Grünen: Cem Özdemir und Claudia Roth, hier auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Freiburg

Führen die Grünen: Cem Özdemir und Claudia Roth, hier auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Freiburg

(Foto: dpa)

Sein Lieblingssatz in diesen Tagen: "Auf dem Teppich bleiben, auch wenn er fliegt." Dazu gehört erstmal: jeden Streit vermeiden. Diesen Anspruch hat die Grünen-Spitze in Perfektion umgesetzt. Es gibt praktischen keinen nennenswerten Antrag mehr auf diesem Parteitag, der den Parteivorstand in Schwierigkeiten bringen könnte.

Die zweite Botschaft ist ebenso klar: Jetzt bloß keine linken Übersprungshandlungen. Jede politische Forderung soll sich an realer Umsetzbarkeit messen lassen. Die Grünen müssten anerkennen, dass sich die Einnahmen aus der Abschaffung des Ehegattensplittings nur einmal ausgeben ließen, mahnt Parteichef Cem Özdemir. Die Grünen dürften im Spektrum der linken Parteien nicht den Wettbewerb um die radikalere Forderung aufnehmen.

Das klingt alles sehr vernünftig und dürfte mit ein Grund sein, weshalb die Wählerinnen und Wähler den Grünen die Türen einrennen.

Was die Wähler dabei vielleicht übersehen, hat auf diesem Parteitag niemand besser ausgedrückt als Parteichef Özdemir selbst. Der sagt am Freitag: "Wer uns wählt, der bekommt auch Zumutungen. Ein Wohlfühlprogramm sieht anders aus."

In der Tat, was Özdemir und die Seinen den Menschen abverlangen wollen, ist schon einiges. Geschröpft werde sollen vor allem die, bei denen die Grünen einen Großteil ihrer Wählerklientel verorten. In der Steuerpolitik etwa wollen die Grünen den Spitzensteuersatz von jetzt 42 auf 45 Prozent anheben.

Dazu sollen dann alle Einkünfte hinzugezogen werden. Auch die aus Kapitaleinkommen, die bisher nur mit 25 Prozent besteuert werden. Auch eine zeitlich befristete Vermögenssteuer wollen die Grünen. Das trifft unter anderem grüne Unternehmer etwa aus der Solar- oder aus der Windkraftbranche.

Eine weitere Zumutung versteckt sich in der Neuordnung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Grünen wollen eine umfassende Bürgerversicherung. Damit soll der Beitragsatz auf 12,5 Prozent sinken, verspricht Fraktionschef Jürgen Trittin.

Der Haken für die gut verdienende grüne Wählerschaft: Bei der Bürgerversicherung werde alle Einkommen hinzugezogen. Vor allem aber: Die bisher kostenlose Mitversicherung des Ehepartners gäbe es nur noch in Ausnahmefällen.

Noch zu klären ist die Frage, wie hoch die Beitragsbemessungsgrenze angesetzt werden soll, ab der eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr verpflichtend ist. Das die derzeitigen 3750 Euro zu wenig sind, da sind sich die Grünen einig. Einige in der Partei wollen sie auf 5500 Euro anheben, andere auf etwas über 4000 Euro.

Nicht zuletzt: Höhere Energiepreise, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu finanzieren, treffen die vielen Neugrünen genauso wie höhere Mieten, sollten die Altbauten im Sinne der Grünen energetisch saniert werden. Viele Grünen glauben, ihre Wähler seien bereit, Opfer zu bringen, wenn es für eine gute Sache ist.

Im Einzelfall mag das stimmen. Nur: Wenn grün wählen zum sozialen Abstieg führt, dann dürfte sich der ein oder andere Besserverdienende überlegen, ob er seine Stimme dauerhaft denen geben will, die sein Leben dauerhaft teurer machen.

In dem Fall hätten die Grünen ihre Rechnung ohne ihre Wähler gemacht.

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