Grüne:Mehr Farbe wagen

Persönlichkeiten braucht die Partei - keinen Flügelproporz.

Von Matthias Drobinski

Simone Peter sagt, sie wolle nicht wieder Grünen-Vorsitzende werden - das erinnert an den Fuchs, der hinauf zu den fernen Trauben schielte, und sagte: Sie sind mir zu sauer. Bei der Bundesdelegiertenkonferenz Ende Januar gibt es zwei klare Favoriten für das Amt: Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Umweltminister, und Annalena Baerbock aus Brandenburg, zwei Realos, die Schwung und Farbe in die Partei bringen dürften. Auch Anja Piel, die nun für den linken Flügel antritt, ist keine Gefahr für die beiden.

Bei den Grünen ist die Zeit der Flügel-Arithmetik vorbei. Das ist ein großer Schritt für die Partei, wenn man bedenkt, wie mühsam einst Fundis und Realos tarierten und balancierten, damit niemand zu viel Macht oder zu wenig Amt abbekam. Die Energie, die das kostete, fehlte dann, wenn es um Inhalte oder ihre Vermittlung ging. Nun wählen die Grünen, wer ihnen am geeignetsten erscheint, wer die gewünschten Inhalte vertritt, und wem sie die Persönlichkeit zutrauen, für diese Inhalte so zu werben, dass auch jenseits der ohnehin Überzeugten mancher sagt: Die kriegen diesmal meine Stimme.

Auch bei anderen Parteien nimmt die Macht der Flügel, Landsmannschaften und Arbeitsgemeinschaften ab und steigt die Bedeutung der Persönlichkeiten - bei Charismatikern wie Sebastian Kurz in Österreich oder Emmanuel Macron in Frankreich bis hin zur problematischen Verachtung aller Parteistrukturen. Die Grünen aber dürfen noch ein bisschen mehr Charisma wagen.

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