Reaktionen auf Kanzlerkandidatin Baerbock:"Das Rennen ist offen, wir haben Bock"

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Die nominierte grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erhält Glückwünsche von den politischen Gegnern - nur die AfD schert deutlich aus. (Foto: ANNEGRET HILSE/REUTERS)

Die SPD reagiert mit einem kleinen Wortspiel auf die Nominierung der grünen Spitzenkandidatin. Kanzlerin Merkel gratuliert, viele politische Gegner freuen sich auf einen "fairen" Wettstreit. Und von den unionsinternen Kontrahenten Laschet und Söder ist eine Art Seufzen zu vernehmen.

Der Bundesvorstand der Grünen hat Parteichefin Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl im September nominiert. Politiker aus Bund und Ländern reagieren überwiegend positiv auf die Entscheidung der Partei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock zu ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin ihrer Partei gratuliert. "Da kann ich gerne von hier aus einen Glückwunsch aussprechen von der Kanzlerin", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin, Ulrike Demmer, in Berlin.

Aus der eigenen Partei gratulierte unter anderem Anton Hofreiter, Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion. "Annalena ist unsere Kandidatin. Mit ihr packen wir die großen Fragen der Zeit an. Klimaschutz, den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft und die Stärkung unserer Demokratie", schrieb er auf seinem Facebook-Account. Aber es beginne mit Baerbock als Kandidatin auch, eine neue Art Politik zu machen: transparent, umsichtig verbindlich und immer mit einem offenen Ohr für die Sorgen der Menschen.

Annalena Baerbock
:"Wir schaffen das nur miteinander"

Mit Teamgeist, Demut und Respekt: Beim ersten Auftritt nach ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin der Grünen gibt sich Annalena Baerbock kämpferisch - und skizziert, wie sie führen und Wählerstimmen gewinnen will.

Von Cerstin Gammelin

Cem Özdemir betonte auf Twitter, dass er sich auf den Wahlkampf mit Baerbock als Kanzlerkandidatin seiner Partei freue. Auf Twitter schrieb er: "Wir haben eine hammerstarke Kanzlerkandidatin Baerbock und hinter ihr einen hammerstarken Habeck. Das Beste: Im Gegensatz zur Union wissen wir sowohl, wer unsere Kandidatin ist, als auch, wofür Annalena Baerbock inhaltlich steht."

CDU-Chef Armin Laschet, der immer noch mit seinem Kontrahenten, CSU-Chef Markus Söder, um die Spitzenkandidatur der Union ringt, sicherte Baerbock einen "fairen Wahlkampf" zu. Das sei in diesen Zeiten der Pandemie ganz besonders wichtig, sagte er in Berlin. Laschet versprach: "Es wird ein fairer, ein frischer, vielleicht auch manchmal ein fröhlicher, jedenfalls ein ernsthafter Wahlkampf werden." Der CDU-Vorsitzende wies auf das Negativbeispiel USA hin: "Wir wissen aus den USA, was es bedeutet, polarisierte Wahlkämpfe zu führen. (...) Das sollten wir uns in Deutschland ersparen."

Auch CSU-Chef Markus Söder gratulierte und gab einer Hoffnung auf einen fairen Wahlkampf Ausdruck. "Ich würde mich sehr darauf freuen, diesen Wahlkampf zu führen. Aber so weit sind wir noch nicht", sagte er dem Tweet eines Journalisten der Deutschen Welle zufolge.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb auf Twitter, er freue sich auf "einen spannenden und fairen Wettstreit um das beste Konzept für die Zukunft unseres Landes".

Ähnliches schrieb fast gleichlautend SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ebenfalls auf Twitter und fügte hinzu: "Das Rennen ist offen, wir haben Bock." Olaf Scholz sei bereit. Und - mit leichter Häme an den Koalitionspartner: "Mal sehen, ob die Union auch noch jemanden findet ..."

Er freue sich "auf den politischen Ideenaustausch im Wahlkampf mit Annalena Baerbock", twitterte FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner. Und auch er kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Jetzt fehlt nur noch die Union, damit es endlich um Inhalte geht: Nie gab es mehr zu tun."

FDP-Generalsekretär Volker Wissing forderte die nominierte Kanzlerkandidatin der Grünen zu mehr Klarheit über den weiteren politischen Kurs auf. Die Grünen hätten sich bei der K-Frage heute geräuschlos positioniert, sagte Wissing in einer ersten Reaktion. Eine Regierung anführen zu wollen, sei ein legitimer Wunsch. Eine klare Aussage, welche Richtung Baerbock einschlagen wolle, sei sie aber noch schuldig. "Dass Frau Baerbock ihr Verhältnis zur Linkspartei offengelassen hat, ist problematisch."

Das sieht man womöglich auch bei der Linkspartei so. Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow reagierte jedenfalls zurückhaltend auf die Nominierung Baerbocks. Sie gratuliere dieser von Frau zu Frau, sagte sie in Berlin. Es brauche mehr Frauen an der Spitze von Politik, um Frauen zu ermutigen, sich einzumischen. Entscheidend sei aber, welche Inhalte man mit Parteien umsetzen könne. "Wenn unsere politischen Inhalte zusammenpassen, und das bedeutet eben nicht nur über die Bekämpfung des Klimawandels zu reden, sondern zu begreifen, dass auch der Klimawandel nur bekämpft werden kann, wenn wir eine soziale Absicherung und Existenzsicherung schaffen, dann kommen wir mit den Grünen übereinander."

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, teilte auf Twitter mit: "Ja, Demokratie lebt vom Wechsel und Veränderungen sind notwendig. Dazu gehört, dass Schluss sein muss mit gebrochenen Wahlversprechen. Glück auf!"

Einige Spitzenpolitiker der AfD witterten hinter der Nominierung Baerbocks als Kanzlerkandidatin der Grünen eine Strategie der Verharmlosung. "Baerbocks Harmonie-Soße verschleiert den Öko-Sozialismus des grünen Wahlprogramms", sagte Parteivize Beatrix von Storch in Berlin.

"Jung und weiblich soll sie zeitgeistgemäß Stimmen sammeln und dabei schönreden, was das grüne Wahlprogramm dem Land androht", mutmaßte der Parteivorsitzende Jörg Meuthen. Mit Baerbock und ihren Parteikollegen in der Regierung "drohen totalitäres Denken, orwellsche Sprachzwänge, technologische Irrläufe, Wohlstandsverlust und selbstmörderischer Klimafanatismus", fügte er hinzu.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland sagte: "Es ist im Ergebnis egal, wer für die Grünen antritt." Für Deutschland wäre eine Bundesregierung unter Führung der Grünen "eine Katastrophe und würde unserem Land noch mehr staatlichen Zwang und Unfreiheit bescheren".

Forsa-Chef Manfred Güllner sagte, die Grünen hätten mit der Nominierung Baerbocks eine gute Wahl getroffen. "Die Aussichten bei der Bundestagwahl sind für die Grünen mit Baerbock vielleicht ein bisschen besser geworden", sagt er der Nachrichtenagentur Reuters. "Sie spricht stärker die weiblichen und jungen Wähler an. Hier könnten die Grünen mit ihr stärker punkten."

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