Baden-Württemberg:Schwäbische Schnapsidee

Es hallen Rufe nach einem Putsch durchs Ländle, der die Regierung zu Fall bringen solle. Auf ihren Parteitagen traten nun Kretschmann und Strobl diesen Plänen entgegen.

Man solle sich nicht entmutigen lassen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Man solle diese Koalition nicht schlechtreden, sagte sein Stellvertreter Thomas Strobl. Fast gleichzeitig beschworen die beiden Anführer der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg am Samstag bei Parteitagen den Fortbestand ihres Bündnisses. Grün-Schwarz ist in schwere Turbulenzen geraten, nachdem sich die CDU-Fraktion einer im Koalitionsvertrag vereinbarten Reform des Wahlrechts verweigert hatte. Die Grünen ließen zur Revanche eine CDU-Kandidatin für das Amt der stellvertretenden Landtagspräsidentin im ersten Durchgang scheitern. FDP und SPD befeuerten daraufhin Spekulationen, sie könnten in einer "Deutschland-Koalition" Wolfgang Reinhart, den Chef der CDU-Fraktion, zum neuen Ministerpräsidenten küren. Es wäre ein Putsch sowohl gegen Kretschmann als auch Strobl. Beide versuchten nun, ihren Parteien Führungsstärke zu demonstrieren.

Der Grüne Kretschmann sagte beim Parteitag in Leinfeld-Echterdingen, das Thema Wahlrecht sei zwei Jahre nach dem Amtsantritt eine ernste Bedrohung für die Koalition gewesen. Ziel der Reform war es, mehr Frauen den Weg ins Parlament zu ebnen. Solche eindeutigen Töne hatten viele Grüne während der Verhandlungen über das Thema vermisst. Der Ministerpräsident hatte erklärt, die Reform sei Sache des Parlaments. Er hätte sich ein "Machtwort" von Kretschmann gewünscht, sagte ein Delegierter. Der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand forderte: "Es braucht Kompromissbereitschaft, wo es sinnvoll ist. Es braucht Konfliktbereitschaft, wo es notwendig ist." Die grün-schwarze Koalition wurde allerdings von niemandem grundsätzlich infrage gestellt.

Zum nächsten Test, wie tragfähig das Bündnis noch ist, dürfte das Thema von Diesel-Fahrverboten in Stuttgart werden; demnächst müssen sich die beiden Parteien darüber verständigen, wie sie mit dem entsprechenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umgehen. Kretschmann beharrte darauf, Grün-Schwarz packe die wichtigen Themen an: den Wohnungsmangel und die Digitalisierung ebenso wie die Verkehrswende. Was die Spekulationen über eine "Deutschland-Koalition" betrifft, sprach er von einer "Schnapsidee". SPD und FDP hätten die Regierung in zwei Jahren in Sachfragen noch nicht ein Mal in Bedrängnis gebracht.

Strobl scheint die Spekulationen ernster zu nehmen. Er rief beim CDU-Parteitag in Wiesloch dazu auf, die "Spielchen" bleiben zu lassen. "Hört auf damit!", sagte Strobl. Der Appell gelte einigen wenigen; wen genau er meinte, blieb offen. Fraktions-Chef Reinhart erklärte jedenfalls, er fühle sich nicht angesprochen, die Spekulationen würden von FDP und SPD geschürt. In der Frage der Wahlrechtsreform war es zu einem offenen Konflikt zwischen Strobl und Reinhart gekommen. Strobl, ein Befürworter, sicherte sich Rückhalt in den Parteigremien, doch die Fraktion kümmerte sich darum nicht.

Strobl sagte, er habe angesichts einer guten Regierung und einer funktionierenden grün-schwarzen Koalition kein Verständnis für das Gerede von einem möglichen Bündnis von CDU, SPD und FDP. Er verwies zudem darauf, dass ein solches Bündnis nur eine Mehrheit von zwei Stimmen hätte und ein CDU-Ministerpräsident deshalb möglicherweise nur dank Stimmen der AfD ins Amt kommen könnte. Mit Blick auf mögliche Neuwahlen sagte er: "Ohne Geschlossenheit ist alles nichts. Eine zerstrittene Partei wählt keine Socke." Von den Delegierten erhielt er dafür großen Applaus.

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