Grün-Schwarz:Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: Partner wider Willen

Nicht gesucht, aber gefunden - Grüne und CDU raufen sich zu einer Koalition zusammen. Doch schon jetzt ist klar: Die Regierungspartner werden einander wehtun.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Eindeutig mehr grüne als schwarze Trauben liegen in den Bastkörben, die man im Raum verteilt hat. Auch die aufgeschnittenen Kiwis zeigen, wenig überraschend, mehr Grün als Schwarz. Noch mehr Symbolik im 138-seitigen Koalitionsvertrag: Der Text ist in Schwarz gehalten, die Titel jedoch in Grün. Selbstverständlich ergreift der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Erster das Wort, um das gemeinsame Werk zu würdigen. Aber das letzte Wort, und darauf kommt es wohl an, hat an diesem Tag Thomas Strobl, der Chef der Schwarzen in Baden-Württemberg.

Die Koalition aus Grünen und CDU werde im Bundesrat der Ausweisung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer zustimmen, sollten keine verfassungsrechtlichen Hürden dagegenstehen, verkündet der CDU-Landesvorsitzende. Das sei vereinbart. Im Koalitionsvertrag steht nur die Passage, man werde sich enthalten, sollten sich die Partner nicht einigen können. Darauf hatte auch Kretschmann verwiesen, ohne auf die Frage der sicheren Herkunftsländer einzugehen.

Dass Kretschmann bei den Maghreb-Staaten, wie schon beim Westbalkan, zustimmen würde, kommt indes nicht überraschend. Dass Strobl die Nachricht verkündet, eher schon. Vermutlich wollte er öffentlich Fakten schaffen, bevor der CDU-Landesparteitag an diesem Freitag über den Vertrag abstimmt. Am Samstag treffen sich dann die Grünen, um über das Werk zu befinden. Das Thema Maghreb wird dort nicht auf Begeisterung stoßen. Die beiden Regierungspartner werden sich also weiterhin wehtun, auch wenn sie sich nun zusammengerauft haben.

Kretschmann: Eine "Koalition im besten bürgerlichen Sinne"

"Dieses Bündnis haben wir nicht angestrebt, aber wir beugen uns dem Wählerwillen", sagt Winfried Kretschmann am Montag. "Wir haben uns nicht gesucht, aber wir haben uns gefunden", sagt Thomas Strobl. In einem Start-up-Campus präsentieren die beiden Delegationen den Vertrag, der die Grundlage bildet für die erste grün-schwarze Koalition auf Landesebene in der bundesdeutschen Geschichte. Im Laufe der Verhandlungen sei das Vertrauen gewachsen, berichtet Kretschmann. Das Ergebnis sei besser, als er anfangs erwartet habe. Er spricht von einer "Koalition im besten bürgerlichen Sinne".

Strobl muss sich fragen lassen, wo "die schwarze Tinte" sich niederschlage in dem Vertrag. Seine Partei musste von vielen Wahlversprechen abrücken, vor allem beim Thema Bildung. Die Gemeinschaftsschule, Feindbild der CDU, wird nicht angetastet. Strobl reklamiert den Sparkurs als Erfolg der CDU, andererseits die hohen Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem aber nennt er die Schaffung von 1500 neuen Stellen bei der Polizei. Das ist tatsächlich CDU pur. Und Strobl pur.

Strobl, der Bundespolitiker, kommt als starker Mann der CDU nach Stuttgart zurück. Er wird das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten übernehmen sowie ein Ressort Inneres, das um die Zuständigkeit für die Digitalisierungsoffensive angereichert wird, einen Schwerpunkt von Grün-Schwarz. Angeblich wollte er auch noch das Verkehrsministerium bei sich eingliedern. Aber das, so heißt es, habe Kretschmann verhindert.

Am Wochenende haben Kretschmann und Strobl heftig gestritten über die Ressortverteilung. "Wir sind uns auf die Nerven gegangen", berichtet Kretschmann. "Sie sind auch laut geworden", ergänzt Strobl. Zehn Minister, jeweils fünf von Grünen und Schwarzen, werden der Regierung angehören, sofern Ministerpräsident Kretschmann am 12. Mai wirklich wiedergewählt wird. Wann sie die Kabinettsliste vorstellen, verraten die beiden nicht.

Eine Liebesaffäre bringt die Personalplanungen durcheinander

Was die CDU betrifft, so hat Strobl dem gescheiterten Spitzenkandidaten Guido Wolf schon vor Wochen ein Ministeramt angeboten. Es ist kein Geheimnis, dass Strobl sich eine Person seines Vertrauens im Amt des Fraktionsvorsitzenden wünscht; das Amt hat bislang Wolf inne. Das Wirtschafts- oder das Justizministerium kämen für Wolf infrage.

Als Kultusministerin wird die Stuttgarter Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann gehandelt. Und als Chef des Ministeriums für den Ländlichen Raum sind Peter Hauk und Friedline Gurr-Hirsch, beide Mitglieder der Landtagsfraktion, im Gespräch.

"Wir meinen es ernst, wir wollen die Hälfte"

Thomas Strobl steht jedenfalls unter starker Beobachtung der CDU-Frauen, wenn er die Ministerposten vergibt. "Wir meinen es ernst, wir wollen die Hälfte", hat gerade Annette Widmann-Mauz öffentlich erklärt. Die Tübinger Bundestagsabgeordnete ist zugleich Chefin der Frauen-Union und saß bei den Koalitionsverhandlungen mit am Tisch. Dass sie selbst nach Stuttgart kommt, wird bislang nicht erwartet; sie ist in Berlin Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.

Auch Kretschmann fühlt sich dem 50-Prozent-Frauen-Ziel verpflichtet, obwohl das bei einer Anzahl von fünf zu vergebenden Posten nicht ganz einfach ist. Es wird erwartet, dass Theresia Bauer (Wissenschaft), Winfried Hermann (Verkehr) und Franz Untersteller (Umwelt) im Amt bleiben. Als Anwärterinnen für das Amt der Sozialministerin gelten Parteichefin Thekla Walker und die Landtagsabgeordnete Bärbl Mielich.

Bliebe das Finanzministerium. Die Grünen stehen in dieser Regierung dafür gerade, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Als Kandidat galt bis vor wenigen Tagen Alexander Bonde. Er hat als Minister für den Ländlichen Raum wesentliche grüne Projekte durchgesetzt, etwa den Nationalpark Schwarzwald, und ist als Anhänger schwarz-grüner Zusammenarbeit bekannt. Bei den Koalitionsverhandlungen saß er mit am Tisch. Doch an diesem Montag erklärt der Freiburger, er stehe für einen Ministerposten nicht zur Verfügung.

Als Grund nennt er Schlagzeilen über sein Privatleben. Vergangene Woche hatte die ehemalige grüne Landtagskandidatin Kerstin Lamparter eine Affäre mit Bonde publik gemacht. "Die öffentlichen Spekulationen und Gerüchte über unser Privatleben nehmen für meine Familie, meine Kinder, meine Frau und mich ein unerträgliches Maß an", schreibt Bonde am Montag auf Facebook. Winfried Kretschmann äußert Verständnis für Bondes Entscheidung und muss nun einen neuen Ministerkandidaten suchen - oder eine Kandidatin.

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