Nach Grubenunglück in Soma:Bundesregierung spricht sich für Erdoğan-Auftritt aus

+++ Bundesregierung ist dafür, Erdoğan in Köln reden zu lassen +++ Türkische Justiz ermittelt gegen Verdächtige wegen fahrlässiger Tötung +++ Tausende protestieren in Soma und Istanbul wegen des Umgangs der Regierung mit dem Grubenunglück +++

Die Entwicklungen im Newsblog.

  • Bundesregierung sagt, Erdoğan sei bei Auftritt in Köln willkommen, zuvor hatten zahlreiche deutsche Politiker Kritik geäußert.
  • Türkische Polizei nimmt nach Grubenunglück in Soma mehr als 20 Verdächtige fest, Justiz ermittelt gegen mehrere Verdächtige wegen fahrlässiger Tötung.
  • Tausende protestieren wegen der Katastrophe in Soma.

Bundesregierung spricht sich für Erdoğan-Auftritt aus: Die Bundesregierung weist Forderungen nach einer Absage des Auftritts des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdoğan in Köln zurück. Als Ministerpräsident eines Landes, "das uns ein wirklich enger und wichtiger Partner ist", sei Erdoğan in Deutschland willkommen, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Er fügt aber auch hinzu, der Auftritt komme "zu einer sehr schwierigen, man kann auch sagen belasteten Zeit". Die Bundesregierung erwarte deshalb, dass bei einer Rede vor türkischen und auch deutschen Staatsbürgern "große Sensibilität walten muss". Ähnlich äußert sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier: "Unsere Demokratie hält es aus, wenn sich Herr Erdoğan an seine Landsleute wendet", sagt Steinmeier.

Kölner Bürgermeister gegen Erdoğan-Auftritt: Viele deutsche Politiker sehen das anders als die Bundesregierung. "Es gibt jetzt Wichtigeres als reine Wahlkampftermine im Ausland wahrzunehmen", sagte Kölns Bürgermeister Jürgen Roters dem Kölner Stadt-Anzeiger mit Blick auf das Grubenunglück. Die Kölner Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz beim Besuch des türkischen Regierungschefs vor. Bereits jetzt hätten sich mehr als 10 000 Demonstranten angemeldet, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger unter Berufung auf die Behörden. Am Sonntag hatten mehrere deutsche Politiker deutliche Kritik an dem geplanten Auftritt geäußert.

Verfahren wegen fahrlässiger Tötung: Fünf Tage nach dem folgenschwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei mit 301 Toten leitet die türkische Justiz die Ermittlungen gegen drei Verdächtige ein. Staatsanwalt Bekir Sahiner sagt Reportern am Sonntagabend in Soma, die drei seien Teil der insgesamt 25 Verdächtigen, die am Sonntag festgenommen wurden. Ihnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Türkische Medien berichten am Montag, dass sogar gegen fünf Mitarbeiter der Betreibergesellschaft der Grube Haftbefehl erlassen worden sei. Den Berichten zufolge gehören zu den Festgenommenen auch Führungskräfte der Bergwerks-Betreibergesellschaft Soma Holding. Die Regierung hatte dem Zechenbetreiber noch bis zum Samstag öffentlich bescheinigt, alle Sicherheitsauflagen eingehalten zu haben. Mit Aussagen, Grubenunglücke seien nicht zu vermeiden, hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wütende Massenproteste hervorgerufen.

Neue Proteste wegen der Katastrophe in Soma: In der Nacht sollen in Soma erneut Tausende Demonstranten auf die Straße gegangen sein, um gegen den Umgang der Regierung Erdoğan mit der Katastrophe zu protestieren. Das berichtet die ARD-"Tagesschau". Auch in Istanbul gab es Proteste. Am Sonntag hieß es, die türkische Polizei habe Soma abgeriegelt, um weitere wütende Proteste zu unterdrücken. Hunderte von Polizisten patrouillierten nach dem Ende der Bergungsarbeiten in den Straßen, während andere an der Zufahrtstraße Ausweise kontrollierten. In Soma war die Polizei bereits am Freitag mit Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern gegen mehrere tausend Demonstranten vorgegangen. Diese gaben dem Bergwerk-Betreiber und der Regierung eine Mitschuld an dem Unglück und warfen ihnen vor, Profitinteressen über die Sicherheit der Bergleute gestellt zu haben. Die Suche nach Opfern des Grubenunglücks wurde am Samstag offiziell für beendet erklärt. Die Zahl der Toten liegt demnach bei 301, 485 Kumpel überlebten die Katastrophe vom Dienstag.

Linktipps:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: