Großmanöver von Russland, China und den USA:Muskelspiele im Pazifik

In den Gewässern des Pazifik dürfte in den kommenden Wochen ein gehöriges Getümmel herrschen: Russland und China beginnen eine gemeinsame Militärübung auf See, die USA üben zeitgleich mit ihren Verbündeten. Was offiziell als Anti-Terror-Übung läuft, birgt politische Brisanz - es geht um militärische Präsenz und geostrategischen Wettbewerb in einer Region voller Bodenschätze.

Frank Nienhuysen

Beim jüngsten Ausflug hatten die russischen Soldaten chinesische Wörterbücher im Gepäck, sie können sie jetzt wieder gebrauchen. Vor wenigen Tagen ist in Wladiwostok der Raketenkreuzer Warjag in See gestochen und hat Kurs auf das Gelbe Meer genommen, begleitet von einigen Kampfschiffen der russischen Pazifikflotte. Sieben Jahre nach dem ersten russisch-chinesischen Großmanöver haben sich die beiden Nachbarstaaten wieder zu einer vergleichbar großen Militärübung verabredet. "Zusammenarbeit auf See - 2012" lautet der profane Name des Manövers, das politisch allerdings sehr viel Brisanz birgt.

Manöver im Pazifik

Mehr als Anti-Terror-Training: Auf dem Pazifik werden in den kommenden Wochen Russland und China eine gemeinsame Militärübung abhalten. Die USA wird ebenfalls mit Verbündeten üben.

Im Bild: Einer der größten amerikanischen Flugzeugträger, die USS Carl Vinson auf hoher See (Bild aus dem Jahr 2005).

(Foto: dpa)

Außer den Kriegsschiffen werden diverse Flugzeuge, Hubschrauber, Fallschirmjäger sowie auf chinesischer Seite auch U-Boote eingesetzt. Die russische Militärzeitung Krasnaja Swjesda (Roter Stern) schreibt mit einem Schuss Patriotismus von "unseren Schiffen", die mit den chinesischen gemeinsam unter anderem den Kampf gegen Terror und Piraterie "in einer gefährlichen Meeresregion" proben: die Befreiung von gekaperten Schiffen, die Vernichtung von See- und Luftzielen, die Sicherstellung des Nachschubs auf hoher See.

Wenn Russland und China mit ihrem Manöver in der nächsten Woche beginnen, dürfte ein gehöriges Getümmel herrschen in den Pazifikgewässern. Denn bereits in dieser Woche starteten auch die USA gemeinsam mit den Philippinen eine militärische Übung, an der sich zudem Japan, Australien und Südkorea beteiligen.

"Balitikan 2012" heißt deren Manöver, das gewisse Parallelen zu dem der Russen und Chinesen aufweist. Ein Vertreter des US-Kommandos, Curtis Hill, erklärte, dass diese gemeinsame Übung ebenfalls dem Kampf gegen Terror und Piraterie gewidmet sei und keine Bedrohung für China oder irgendjemanden sonst darstelle. Die fast wortgleiche Rhetorik verwendete auch das russische Verteidigungsministerium.

Dass der Widerstand gegen Seeterroristen trotzdem nicht gleich im globalen Maßstab geprobt wird, hat seine Gründe. Denn es geht um mehr als allein um den Anti-Terror-Kampf: Es geht um militärische Präsenz in den pazifischen Gewässern, um geostrategischen Wettbewerb in einer Region voller Bodenschätze, um politisches Muskelspiel. Es ist ein Meer von komplexen Interessen.

Peking erhebt Anspruch auf rohstoffreiche Gebiete

Das emporstrebende China hat in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in Rüstung investiert und seine Marine deutlich verstärkt. Peking will den großen Einfluss des amerikanischen Militärs in der Region gern eindämmen und erhebt im Südchinesischen Meer zugleich Anspruch auf Gebiete, wo große Bodenschätze wie Öl und Gas lagern sollen.

Dazu gehört unter anderem das Scarborough-Riff vor der philippinischen Küste, das China als Huangyan bezeichnet. In der vergangenen Woche flammte der Konflikt rund um die Spratly-Inseln wieder auf, als das philippinische Militär nach einem Zwischenfall ein Kriegsschiff zu dem umstrittenen Riff entsandte, es dann jedoch abzog.

Washington wiederum hat besorgt auf den Aufstieg Chinas zu einer Militärmacht reagiert und will nun selber seine Präsenz im Pazifikraum stärken. Den Philippinen dürfte das gemeinsame Manöver mit den USA gerade recht kommen. Die Übung Chinas und Russlands lässt sich derweil wiederum als Antwort auf den Westen deuten, obwohl das Manöver angeblich bereits seit dem vergangenen Jahr geplant ist.

Muskelspiele im Pazifik

Fest steht: Moskau und Peking verfolgen mit Argwohn die US-Außenpolitik und streben eine multipolare Welt an, in der sie selber sicherheitspolitische Eckpfeiler sind und die Dominanz der USA gebrochen ist. Andererseits verfolgt Russland mit ebensolchem Misstrauen auch den Aufstieg des jahrzehntelangen Rivalen China.

"Viele Russen sehen eine Gefahr darin, dass es irgendwann ein Abkommen zwischen Peking und Washington zu Lasten Moskaus geben könnte. Aber sie sollten mehr eine Konfrontation zwischen China und den USA fürchten, während der Russland dann zwischen Hammer und Amboss sitzen würde", schrieb kürzlich der Moskauer Militärexperte Dmitrij Trenin.

Die russische Tageszeitung Kommersant titelte denn auch: "Russland sucht seinen Kurs im Südchinesischen Meer". Anders als das mit viel Pathos beladene Militärblatt Krasnaja Swjesda zeigte sich der Kommersant-Autor Sergej Strokan besorgt darüber, dass sich Moskau mit dem bevorstehenden Manöver in den Gebietskonflikt zwischen China und dessen Nachbarn hineinziehen lassen könnte, indem nämlich Peking dies für sich nutzen und behaupten werde, Russland stehe in dem Streit auf seiner Seite. "Eine andere Frage ist, ob dies für Russland auch ein Vorteil ist."

Wie berechtigt trotz des Manövers und wirtschaftlicher Bande zugleich auch Russlands Skepsis gegenüber China ist, zeigt eine Reaktion Pekings aus der vergangenen Woche. Gefragt nach einem Abkommen zwischen Gazprom und Vietnam über die gemeinsame Ausbeutung von Energiefeldern vor der vietnamesischen Küste, erklärte das chinesische Außenministerium barsch: "Unternehmen dritter Staaten, die keinen Bezug zum Südchinesischen Meer haben, sollten sich aus umstrittenen Gebieten heraushalten." Doch das dürfte Gazprom nicht sonderlich beeindrucken.

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