Große Koalition:SPD wärmt sich am Streit in der Union - das könnte sich rächen

Lesezeit: 3 min

Uneinig über Transitzonen: Horst Seehofer (CSU), Sigmar Gabriel (SPD) und Angela Merkel (CDU). (Foto: REUTERS)

Die Sozialdemokraten nennen den Streit zwischen CSU und CDU über Flüchtlingspolitik amüsiert "Kasperletheater". Doch eine weitere Eskalation des Konflikts kann auch der SPD schaden.

Von Christoph Hickmann

Was Schlagzeilen über innerparteilichen Streit angeht, über vermeintlich oder tatsächlich umstrittene Vorsitzende sowie Drohungen und Putschgerüchte, ist die SPD eine leidgeprüfte Partei. Die Genossen kennen all das aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zur Genüge und hatten daher bislang stets etwas neidisch auf die CDU geschaut. Die Disziplin, mit der dort inhaltliche Differenzen hinter die Priorität des Machterhalts zurückgestellt wurden, hätte sich mancher Spitzensozialdemokrat auch für den eigenen Laden gewünscht.

Insofern schienen manche an der SPD-Spitze dieser Tage ihr Glück kaum fassen zu können. Endlich, so hörte man es in vielen Gesprächen mindestens zwischen den Zeilen heraus, endlich waren es mal nicht sie, die sich öffentlich zerlegten. Sondern CDU und CSU.

Und die Genossen konnten es nicht lassen, den Streit in der Union auszuschlachten. "Der Streit zwischen CDU & CSU bedroht die Handlungsfähigkeit der Regierung. Diese gegenseitige Erpressung ist unwürdig und verantwortungslos", so ließ sich SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Kurznachrichtendienst Twitter ein. Das wirkte, als wolle er sichergehen, dass es auch alle mitbekämen - schließlich hatte er sich zuvor schon ähnlich bei Spiegel Online geäußert. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach im ZDF von "Kasperletheater". Und Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel beklagte im Deutschlandfunk, die CSU versuche, "ein politisches Spiel zu inszenieren, und das ist nicht verantwortlich".

Am Zerbrechen der Koalition kann keine der beiden Parteien Interesse haben

Die Genossen genossen die Situation. Doch die Sticheleien vor dem Wochenende könnten sich noch als Fehler erweisen. Je mehr Öl die Sozialdemokraten ins unionsinterne Feuer kippten, desto wahrscheinlicher wurde es, dass CDU und CSU zumindest einen Teil ihrer alten Geschlossenheit zurückgewinnen würden. Werden Attacken von außen zu heftig, raufen sich in der Politik jedenfalls häufig auch Streithähne intern zusammen. Diesen sattsam bekannten Mechanismus schienen die Sozialdemokraten vergessen zu haben.

Flüchtlingskrise
:Die CSU droht Merkel aus Verzweiflung

Seehofer ist nicht mehr Merkels "schnurrendes Kätzchen", aber er will auch nicht die Bundeskanzlerin stürzen. Warum die CSU der CDU trotzdem schwere Probleme macht.

Kommentar von Robert Roßmann

Und auch für sie ist die Ausgangslage nicht ausschließlich komfortabel. An einem Platzen der Koalition zumindest kann auch die SPD kein Interesse haben. Rot-Rot-Grün, rein rechnerisch machbar, galt schon bisher als viel zu instabil, um eine ernsthafte Option zu sein. In Zeiten der Flüchtlingskrise gilt das erst recht. Und obwohl die Umfragewerte der Union sinken, können die Sozialdemokraten bislang nicht profitieren. An einer Neuwahl haben sie daher ebenfalls kein Interesse.

Es sollte also eigentlich auch aus ihrer Sicht an diesem Wochenende zu einer Einigung kommen - zumal Gabriel ja kaum die Rolle des Blockierers übernehmen kann, wenn er gerade erst den Streit und die "gegenseitige Erpressung" in der Union gegeißelt hat. Aber wie könnte eine solche Einigung aussehen?

Den Transitzonen, wie die CSU sie gefordert hat, kann die SPD jedenfalls nicht zustimmen - dafür haben sich ihre Spitzenvertreter zu klar festgelegt. Das dauerte zwar ein wenig, und zwischenzeitlich hatte Bundestags-Fraktionschef Thomas Oppermann auch mal öffentlich angekündigt, die Idee der Transitzonen zu prüfen.

Danach aber nahmen die Sozialdemokraten eine eindeutige Haltung ein. Justizminister Heiko Maas sagte, er lehne die "Einrichtung von Haftanstalten für Tausende von Flüchtlingen an der Grenze" ab. Parteichef Gabriel wandte sich dagegen, "neue und komplizierte Verfahren aufzubauen". Stattdessen solle man erst einmal das umsetzen, was man bereits beschlossen habe.

Und Parteivize Ralf Stegner stellte am Freitag noch einmal klar: "Wenn am Sonntag etwas herauskommt, das exterritoriale Einrichtungen und Haft enthält, dann kann ich meiner Partei keine Zustimmung empfehlen." Die SPD dürfe sich "in der Substanz einem Konstrukt wie Transitzonen nicht annähern", sagte der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef.

Auch manche SPD-Wähler sähen die Zahl der Flüchtlinge gern verringert

Wie soll es da zu einem Kompromiss kommen? Womöglich so, wie es Christine Lambrecht, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, bereits am Mittwoch angedeutet hatte. Es könne "sinnvoll sein, eine verpflichtende Registrierung in Grenznähe einzuführen", erklärte sie. "Damit könnten auch offensichtlich aussichtslose Asylanträge beschleunigt geprüft werden." Falls die Union auf Zäune und damit auf den Charakter von "Haftanstalten" verzichte, so musste man die Botschaft verstehen, könne man doch eigentlich aufeinander zugehen. Das verwunderte insofern, als Gabriel eigentlich ganz auf Konfrontation gesetzt und die Parole ausgegeben hatte, es gebe keine Kompromisslinien.

Streit in der Koalition
:Gefangen in der Transitzone

Die große Koalition kann sich nicht auf Flüchtlings-Zonen an der Grenze einigen. Die Union will sie. Die SPD lehnt sie ab - noch.

Von Stefan Braun, Christoph Hickmann und Robert Roßmann

Doch auch bei ihren Wählern dürfte die SPD nicht nur Zustimmung ernten, wenn sie ihre Haltung kompromisslos durchzieht. Zwar gibt es unter den SPD-Anhängern durchaus diejenigen, die Verschärfungen im Umgang mit den Flüchtlingen ablehnen. Doch es gibt eben auch solche, die sich kaum weniger sehnlich als Horst Seehofer ein Signal wünschen, das den Zustrom zumindest verringern könnte. Scheitern die Parteichefs Seehofer, Gabriel und Merkel also am Sonntag bei ihrem Versuch einer Einigung, würde das keineswegs allein auf die CSU zurückfallen.

Vom Verlauf des Wochenendes hängt demnach nicht nur für die Union, sondern auch für die SPD einiges ab. Doch bevor es ernst wurde, kosteten die Spitzengenossen noch einmal ausgiebig den Streit in der Union aus. Die SPD, so formulierte es etwa Generalsekretärin Fahimi, stelle jenen Teil der Regierung, der "konstruktiv und pragmatisch Lösungen" vorschlage. Das Land brauche "eine stabile Bundesregierung". Und die CSU müsse endlich aufhören, "sich wie ein kleines Kind zu verhalten".

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Flüchtlingskrise
:Die fünf großen Herausforderungen für die deutsche Politik

Die Lage auf dem Balkan, die Verteilung der Flüchtlinge, der wuchernde Fremdenhass: Wo die Politik jetzt dringend handeln muss.

Analyse von Oliver Das Gupta

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: