Großbritannien:Wer zweimal lügt

Vizepremier Damian Green tritt nach einer Porno-Affäre und Belästigungsvorwürfen zurück. Damit verliert Theresa May einen wichtigen Unterstützer in ihrer Brexit-Politik.

Von Cathrin Kahlweit, London

Britischer Vize-Premier Damian Green tritt zurück

Ex-Arbeitsminister und Ex-Vizepremier: Damian Green ist zurückgetreten.

(Foto: dpa)

Noch am Mittwochmittag hatte Damian Green während der Fragestunde mit der Premierministerin neben Theresa May im Parlament gesessen, hatte genickt und gelächelt, sich über die scharfen Angriffe der Opposition echauffiert und Zwischenrufe abgesetzt. Da muss er schon gewusst haben, was dann am Abend geschah: dass er aufgefordert werden würde, seinen Hut zu nehmen als "First Secretary", einer Art Vizepremier. Er hatte ganz offensichtlich zweimal gelogen, als er öffentlich behauptete, noch nie etwas von den Pornodateien gewusst zu haben, die Ermittler vor etwa zehn Jahren auf einem Computer in seinem Abgeordnetenbüro gefunden hatten. Tatsächlich aber war er in zwei Gesprächen von der Polizei darüber informiert worden, wusste also im Herbst 2017, als der Fall erneut in die öffentliche Wahrnehmung schwappte, sehr wohl, was Sache war.

Anlass für die erneute Befassung mit den Pornos war der Artikel einer Tory-Mitarbeiterin gewesen, die angab, Green habe sie unsittlich berührt und ihr anzügliche Mails geschrieben. Ein ehemaliger Polizist hatte dann die Öffentlichkeit auf die Existenz Tausender pornografischer Bilder auf dem PC des konservativen Politikers hingewiesen. Er wusste davon, weil er auf der Suche nach einem Informationsleck im Parlament vor Jahren bei der Durchsuchung von Greens Büro dabei gewesen war. Das brachte der Polizei eine heftige Debatte über den Bruch der Vertraulichkeit ein, und Green eine interne Untersuchung. Die wurde nun mit der Erkenntnis abgeschlossen, dass die junge Frau, die Green sexuelle Belästigung vorgeworfen hat, "höchstwahrscheinlich glaubwürdig" sei, und dass die Pornofrage nicht abschließend geklärt werden könne, Green sich aber mit seinen Dementis nicht an ministerielle Standards gehalten habe.

So weit, so schlecht für Theresa May, die in einem Antwortschreiben auf den Rücktrittsbrief von Green ihr Bedauern ausdrückte, und zwar für ihre Verhältnisse fast emotional. Die beiden kennen sich seit Studientagen, und May hatte Green in die Regierung geholt, damit er ihr bei der internen Bewältigung des Brexit helfe. Er war ihr gegenüber immer loyal gewesen, eine rare Eigenschaft in der britischen Politik.

Erwartet wird, dass die Premierministerin sich Zeit lässt und erst im neuen Jahr einen Nachfolger sucht. May ist bekannt für ihr Misstrauen und dafür, dass sie sich mit einem sehr engen Zirkel von Vertrauten umgibt; es dürfte in dieser Hinsicht nicht ganz leicht sein, einen adäquaten Kandidaten zu finden. Liberale Tories schlagen vor, einen der "Meuterer" ins Kabinett zu holen. So werden in EU-feindlichen Medien jene Abgeordneten genannt, die den Brexit für einen Fehler halten, den Ausstieg aus der Union möglichst schmerzlos gestalten wollen und May immer wieder damit drohen, gegen ihre Regierungslinie zu stimmen. Christopher Wilkins, ein früherer Berater von May, rät ihr nun dringend, ein junges Talent aus dieser Gruppe zu befördern.

Mit einer gewissen Spannung schaut das politische London nun auch auf Brexit-Minister David Davies. Er hatte sich hinter seinen Freund Damian Green gestellt und vor Wochen angekündigt, sollte dieser zum Rücktritt gezwungen werden, werde er auch gehen. Die Frage, ob er das wahr macht, wird derzeit heiß diskutiert. Die Times stellte allerdings sarkastisch fest, eine "esoterische, stimmungsabhängige Kunst-Installation" könne nicht zurücktreten. Damit ist, wenig charmant, Davis gemeint.

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