Großbritannien:Tony Blair strebt eine dritte Amtszeit an

Inmitten eines beispiellosen Umfragetiefs und einer schweren Regierungskrise hat der britische Premier angekündigt, eine dritte Amtszeit anzustreben. Blair hat einen schwierigen Labour-Parteitag vor sich.

(SZ vom 29.09.2004) - Bei den Parlamentswahlen 2006 wolle er wieder antreten, sagte Blair der britischen Sonntagszeitung The Observer: "Ich habe gesagt, ich will den Job weiter machen, bis die Arbeit erledigt ist." Bei einer Wiederwahl beabsichtige er, die volle Legislaturperiode im Amt zu bleiben.

Großbritannien: Tony Blair

Tony Blair

(Foto: Foto: AP)

Blair sieht keine Notwendigkeit, sich für die Beteiligung seines Landes am Irak-Krieg zu entschuldigen. Dem Premierminister steht der wohl schwierigste Parteitag seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren bevor: Bei der am Sonntag in Bournemouth beginnenden Versammlung wird es hauptsächlich um seine uneingeschränkte Unterstützung des US-geführten Irak-Krieges gehen.

Kritik an seiner Irak-Politik wies er im BBC-Fernsehen zurück. "Ich würde es genauso wieder machen", sagte er dem Sender am Sonntag. "Ich denke nicht, dass wir uns als Land für irgendetwas entschuldigen müssen", betonte der Regierungschef. Er sei "stolz" auf "das, was wir gemacht haben". Blair bekräftigte seine Behauptung von vor dem Krieg, der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein habe über ABC-Waffen verfügt.

"Wir wissen ganz genau, dass er diese Waffen und diese Programme hatte." Blair empfahl seinen Kritikern, einen Zwischenbericht der USA über das irakische Waffenprogramm abzuwarten, der kommende Woche veröffentlicht werden soll. Zur Frage eines Beitritts seines Landes zur Euro-Zone sagte Blair: "Wir sollten die Option offen halten.

Popularität seit dem Irak-Konflikt drastisch gefallen

Mit seiner frühzeitigen Ankündigung einer weiteren Kandidatur hat es Blair nun Bundeskanzler Gerhard Schröder gleich getan, der Anfang September zusammen mit seinem Grünen-Koalitionspartner, Außenminister Joschka Fischer, bekannt gegeben hatte, bei der Bundestagswahl 2006 noch einmal antreten zu wollen.

Die Popularität des Regierungschefs ist seit dem Irak-Konflikt drastisch gefallen. Grund hierfür ist zum einen die Tatsache, dass bis heute keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, mit deren Existenz der Krieg begründet worden ist. Zum anderen hatten auch die Umstände des Selbstmords des britischen Waffenexperten David Kelly der Blair-Regierung Kritik eingebracht.

Labour würde derzeit 30 Prozent der Stimmen erhalten

Die Hälfte der Briten befürwortet einen Rücktritt Blairs. Laut Financial Times beantworteten 50 Prozent die Frage, ob es Zeit für Blair sei, zu gehen, mit Ja. Dieser Meinung sind auch 40 Prozent der Labour-Wähler. 64 Prozent sind unzufrieden mit seiner Regierungsführung. Die Umfragewerte für die Labour-Partei sanken auf den tiefsten Stand seit 1987.

Wie die Sunday Times berichtete, würde Labour derzeit 30 Prozent der Wählerstimmen erhalten und läge gleichauf mit den Liberalen, aber drei Prozentpunkte hinter den konservativen Tories. Mehr als die Hälfte aller Briten halten das Engagement Blairs im Irak-Krieg für falsch. 81 Prozent glauben, dass er die von Irak ausgehende Gefahr übertrieben habe. Davon ist mehr als ein Drittel überzeugt, er habe dies bewusst getan.

In London protestieren am Samstag Tausende gegen die Besatzungspolitik in Irak. Sie zogen vom Hyde Park zum Trafalgar Square. Die Demonstranten forderten ein Ende der Kampfhandlungen und den Rücktritt Blairs. In Anspielung auf die Kelly-Affäre hieß es auf Plakaten "No more lies" (Keine Lügen mehr) und in einem Wortmix aus Blair und dem englischen Wort "liar" (Lügner) "Bliar".

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