Großbritannien:Theresa May im Überlebenskampf

Das britische Parlament berät über Änderungen am Brexit-Gesetz - die Regierung fühlt sich bedroht und will mögliche Abweichler auf Linie bringen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Am Montagabend wollte Theresa May noch einmal die Abgeordneten der Tory-Fraktion zusammentrommeln, um deutlich zu machen, was in ihren Augen an diesem Dienstag auf dem Spiel steht: das Überleben der Regierung und, wenn es ganz schlecht läuft, der ganze Brexit. Das ist war dick aufgetragen, aber die Regierung fühlt sich bedroht durch das Parlament, das zwei Tage lang über insgesamt 15 Änderungsvorschläge zum EU-Austrittsgesetz verhandeln will. Diese waren zuvor im Oberhaus von den Lords beschlossen und an die Kollegen im Unterhaus weitergereicht worden.

Darunter befindet sich ein Zusatz zum Gesetz, der May zwingen soll, mit Brüssel über einen Verbleib in der Zollunion zu reden - sowie der Plan, dass nicht das Kabinett, sondern das Parlament das letzte Wort über den Brexit-Vertrag haben müsse. In London läuft dieser Teil unter "meaningful vote". Damit ist eine Abstimmung gemeint, die nicht nur formal, sondern auch inhaltlich den Volksvertretern die Macht gibt zu befinden, ob das Ergebnis anderthalbjähriger Verhandlungen dem Volkswillen entspricht, der sich im Referendum 2015 ausgedrückt hatte. May will bis dato nur, dass das Parlament den Vertrag durchwinkt. Damit wird sie allerdings, selbst wenn es diese Woche im Parlament für sie glatt läuft, kaum durchkommen.

Der Streit im Kabinett bedroht seit Wochen die Autorität der Premierministerin

Die Premierministerin wird seit Wochen durch einander bekriegende Teile ihres Kabinetts in ihrer Autorität bedroht, und auch die Verhandlungen mit Brüssel kommen deswegen nicht weiter. Aber in dieser Woche sind es nicht die Kabinettskollegen, sondern die Abgeordneten, deren Unterstützung sie braucht, weshalb sie am Wochenende eine ungewöhnliche Allianz ins Feld schickte, um ihre Gegner im Unterhaus zu warnen: Der glühende Brexit-Verfechter Iain Duncan Smith und die als Innenministerin zurückgetretene Amber Rudd, eine Brexit-Gegnerin, warfen sich gemeinsam für May in die Schlacht und warnten Abweichler in den eigenen Reihen, am Dienstag und Mittwoch mit Labour für Änderungsvorschläge zu stimmen, welche die "Regierung bei den Verhandlungen mit Brüssel schwächen" könnten. Tory-Rebellen, so die ultimative Drohung der beiden Politiker, die für einen möglichst weichen Brexit seien, könnten sonst mit ihren Stimmen für fraktionsübergreifende Änderungsanträge Jeremy Corbyn ins Amt katapultieren. Dass May stürzt und Labour übernimmt - das ist in den Augen vieler Konservativer nach wie vor das ultimative Katastrophenszenario, mit dem Einigkeit erzwungen werden soll.

Allerdings hat Labour selbst einige Druckmittel aus der Hand gegeben. Statt fraktionsübergreifende Anträge für einen Verbleib in der Zollunion zu unterstützen, hat die Opposition eigene Vorschläge vorgelegt und Tory-Rebellen verschreckt. May steuert also vermutlich auf einen knappen Sieg zu.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: