Großbritannien:Wie Merkel und May den Brexit zum Erfolg machen wollen

Bei ihrem ersten Treffen beteuern die Bundeskanzlerin und die neue britische Premierministerin, dass sie das selbe Ziel verfolgen. Nur ihr Weg dahin unterscheidet sich.

Von Nico Fried und Christian Zaschke, Berlin/London

Es ist viel gemutmaßt worden, wie ähnlich sich Angela Merkel und Theresa May wohl sind. Politisch, und auch sonst. Am Mittwochabend, als die neue britische Premierministerin im Kanzleramt zum Antrittsbesuch erscheint, wird als Erstes offensichtlich, dass - wenig überraschend - Merkels Englisch besser ist als das Deutsch ihres Gastes. "Full House", sagt Merkel fehlerfrei angesichts der zahlreichen Journalisten, die zur Pressekonferenz gekommen sind. Theresa May beginnt ihr Statement mit den Worten: "Vielen Danke."

Von Merkel weiß man, dass sie solche Vergleicherei sowieso eher nervt. Die Kanzlerin redet in der Öffentlichkeit - und meistens auch jenseits davon - lieber über Politik, nüchtern und sachlich, was wiederum zufälligerweise eine erste stilistische Ähnlichkeit zwischen Merkel und May sein dürfte. Tatsächlich erwecken beide Damen im weiteren Verlauf den Eindruck, recht gut miteinander auszukommen. "Es ist wichtig, dass hier zwei Frauen stehen, die ein erstes konstruktives Gespräch geführt haben", sagt May und lächelt die Kanzlerin freundlich an, "zwei Frauen, die sagen: So, jetzt beginnen wir mit der Arbeit."

Dem schließe sie sich an, sagt Merkel fröhlich. Es war das erste Treffen der beiden Politikerinnen. Merkel hat nach Mays Ernennung zur Premierministerin kurz von Kirgisistan aus mit der neuen Kollegin telefoniert. Begegnet sind sie einander noch nie. In Berlin kennt Bundesinnenminister Thomas de Maizière die langjährige Kollegin am besten. Dem Vernehmen nach hält er große Stücke auf sie und hat das seiner Chefin auch gesagt. May, die eigentlich gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU war, dies aber nie besonders laut sagte, hat mittlerweile angekündigt, den Brexit zu einem Erfolg machen zu wollen. Daran hat auch die Kanzlerin, die nicht mehr daran glaubt, dass die Entscheidung noch reversibel ist, ein großes Interesse. Die Frage ist nur, ob Merkel und May unter Erfolg dasselbe verstehen.

Merkel sagt, sie sei neugierig auf Mays Brexit-Pläne

Das beginnt schon bei der eher simplen Frage: Wann geht's los? Sie sei neugierig auf die Person, hatte Merkel vorab mitgeteilt, und sie sei neugierig auf Mays Pläne mit Blick auf den Brexit. Die Kanzlerin ist der Premierministerin schon entgegengekommen, ehe May überhaupt Regierungschefin war, weil sie frühzeitig ihre Bereitschaft gen London funkte, jedweder Regierung erst einmal ein wenig Zeit zu geben, um sich zu sortieren.

Diese Haltung bekräftigt Merkel im Beisein Mays noch einmal: Es sei auch im Interesse der europäischen Staaten, dass London "mit einer klar definierten Position" in die Verhandlungen gehe. Dann könnten sich die anderen Staaten auf gemeinsame Leitlinien verständigen. May sagt, London werde den Austrittsantrag erst stellen, "wenn unsere Ziele klar sind". Dies werde nicht vor Ende des Jahres der Fall sein. Sie wisse, dass nicht alle damit zufrieden sein würden, "dass wir uns so viel Zeit lassen". Dafür sage sie aber zu, in der Sache nicht nur die Interessen der britischen Wähler, sondern auch der europäischen Partner zu berücksichtigen.

Für May hat die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitskräften aus der EU Priorität. In Berlin bleibt sie in diesem Punkt vage. Doch in ihrem ersten Auftritt in der wöchentlichen Fragestunde im Parlament sagte sie wenige Stunden zuvor, sie habe verstanden, dass viele Briten gegen die Mitgliedschaft gestimmt hätten, weil sie die Einwanderung als Problem sähen. Sie wolle diese auf jährlich unter 100 000 senken. Derzeit übersteigt die Zahl der Einwanderer die der Auswanderer um 330 000 pro Jahr, davon kommen 184 000 aus der EU.

Der rechte Flügel ihrer eigenen Partei beäugt May skeptisch

Diese Aussage Mays ist vor allen Dingen ein Signal an den rechten Flügel ihrer Konservativen Partei, der May mit leichter Skepsis betrachtet, weil sie gegen den Austritt war. Diese Skepsis dürfte nicht kleiner geworden sein, nachdem sie ausweichend auf die Frage antwortete, ob sie Großbritannien auf jeden Fall aus dem europäischen Binnenmarkt führen werde.

Merkel wiederum hat unter dem Druck der Empörung, die sich nach dem Brexit-Votum auch in ihren eigenen Reihen gegenüber Großbritannien ausgebreitet hatte, die Formel gefunden - und seither zigfach wiederholt -, dass es keine "Rosinenpickerei" geben dürfe. Einen freien Zugang zum Binnenmarkt ohne Freizügigkeit werde es nicht geben können, so lautet Merkels wichtigste Position. In ihrer Regierungserklärung hatte sie klargestellt, dass es einen erkennbaren Unterschied geben müsse, ob ein Land der EU angehöre oder nicht.

Eher freundlich und unverbindlich bleibt Merkel auch, als sie nach der Berufung von Boris Johnson zum Außenminister gefragt wird. Großbritannien sei ein "erfahrenes Land in diplomatischen Fähigkeiten", so die Kanzlerin. Verhandlungen mit London seien immer "interessant, anstrengend und spannend". May wiederum antwortet auf die Frage, warum sie einen Spieler aufs Feld schicke, der das Spiel gar nicht spielen wolle: Sie verzichte lieber darauf, in Deutschland auf Vergleiche aus dem Fußball einzugehen. "Da stehen wir einfach nicht so gut da."

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