Großbritannien:May darf Brexit nicht ohne Parlament einleiten

Ein Londoner Gericht verbietet der britischen Premierministerin den geplanten Alleingang beim Austritt aus der Europäischen Union. Sie muss das Parlament einbinden. Dies könnte Mays Brexit-Zeitplan verzögern. Nun will sie vor dem Obersten Gerichtshof Berufung gegen die Entscheidung einlegen.

Von Björn Finke, London

Eine herbe Niederlage für Theresa May und die Anhänger der Brexit-Kampagne: Ein Londoner Gericht, der High Court, urteilte am Donnerstag, dass die Premierministerin das Austrittsverfahren aus der EU nicht ohne Zustimmung des Parlaments in Gang setzen darf. Die Regierung zeigte sich "enttäuscht" und kündigte Berufung vor dem Obersten Gerichtshof an. Der wird Anfang Dezember darüber beraten. May will Brüssel bis März offiziell über den Austrittswunsch unterrichten. Dann beginnen gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags zweijährige Verhandlungen, an deren Ende die Trennung stehen soll.

Hat das Urteil Bestand, könnte sich der Zeitplan verzögern, denn in dem Fall stünden Debatten und eine Abstimmung im Parlament an. Eine Sprecherin Mays sagte allerdings, die Premierministerin halte trotz des Urteils am Starttermin im März fest. Die Regierung hatte argumentiert, dass der Sieg des Brexit-Lagers in der Volksabstimmung im Juni als Legitimation ausreiche. Die Richter befanden aber, dass der Austritt auch Einfluss auf nationale britische Gesetze habe, also keine rein außenpolitische Entscheidung sei. Daher dürfe die Regierung das Parlament nicht übergehen.

Nigel Farage, Chef der EU-feindlichen Partei Ukip, sagte, er befürchte, dass nun "alles Mögliche unternommen wird", den Start des Austritts-Verfahrens zu verzögern. Jeremy Corbyn, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Labour, begrüßte das Urteil. Seine Partei respektiere das Ergebnis des Referendums, doch das Parlament müsse sich mit den Verhandlungszielen der Regierung für den Brexit beschäftigen können, sagte er.

Die Mehrheit der Parlamentarier warb vor der Volksabstimmung für den Verbleib in der EU - auch in Mays konservativer Partei. Trotzdem gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass die Abgeordneten den Start der Brexit-Verhandlungen blockieren, denn damit würden sie die Wähler vor den Kopf stoßen. Die konservative Abgeordnete Nicky Morgan, eine prominente EU-Befürworterin, sagte, die Parlamentarier seien "sich sehr bewusst, dass 17 Millionen Bürger für den Austritt" gestimmt hätten.

Allerdings könnten die Politiker der Regierung eine Debatte über die künftigen Beziehungen zur EU aufzwingen. Vielleicht müsste die Regierung sogar Zugeständnisse bei ihren Verhandlungszielen machen. Der kompromisslose Kurs von Premier May ist umstritten.

Die Regierungschefin versprach auf dem Parteitag der Konservativen im Oktober eine harte Trennung von der EU: Großbritannien solle nicht mehr der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterliegen und selbst über seine Einwanderungspolitik entscheiden können, sagte sie. Die Folge wäre, dass das Land - anders als etwa das Nicht-Mitglied Norwegen - auch nicht am gemeinsamen Binnenmarkt der EU teilnehmen könnte. Für britische Firmen und Banken würden Geschäfte auf dem Festland dann schwieriger. Wirtschaftsvertreter und Europa-freundliche Abgeordnete hoffen daher auf eine sanftere Scheidung.

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