Großbritannien:Konservative Lesestunde mit der Queen

Großbritannien: Königin Elisabeth II. verlas im britischen Oberhaus die konservativste Regierungserklärung seit Jahrzehnten.

Königin Elisabeth II. verlas im britischen Oberhaus die konservativste Regierungserklärung seit Jahrzehnten.

(Foto: AP)

David Cameron hat Elisabeth II. ein Regierungsprogramm verlesen lassen, das konservativer kaum sein könnte. Die Opposition ist verstummt. Wenn sie die Sprache nicht wiederfindet, könnte der Premier eine konservative Epoche einläuten.

Von Christian Zaschke

Fast ebenso wichtig wie das, was am Tag der feierlichen Eröffnung des britischen Parlaments gesagt wurde, war das, was ungesagt blieb. Wenn der Vertreter der Königin vor der Thronrede die Mitglieder des Unterhauses bittet, ihm ins Oberhaus zu folgen, um den Worten der Monarchin zu lauschen, gibt es üblicherweise einen scharfen Zwischenruf von der Oppositionsbank. Besonders die Kommentare des Labour-Abgeordneten Dennis Skinner, der seit 45 Jahren im Parlament sitzt, sind legendär. Mit großer Spannung war erwartet worden, was Skinner in diesem Jahr nach der herben Wahlniederlage seiner Partei rufen würden. Die Antwort: nichts. Skinner schwieg.

Besser lässt sich kaum illustrieren, wie sehr sich die Machtverhältnisse im britischen Unterhaus verschoben haben. Seit die Konservativen von Premierminister David Cameron vor drei Wochen überraschend die absolute Mehrheit der Sitze errangen, hat es der Opposition die Sprache verschlagen. Die Labour-Partei ist schwer angeschlagen, während die Tories vor Kraft kaum laufen können. Dieses Selbstbewusstsein schlug sich am Mittwoch auch in der Queen's Speech nieder, der von Elizabeth II. verlesenen Regierungserklärung Camerons.

Der Premier lässt die Königin ein rechtes Programm verkünden

Die Königin trägt nur vor, was die aktuelle Regierung plant, und in diesem Jahr las sie erstmals seit fast zwei Jahrzehnten wieder eine rein konservative Erklärung vor. In den vergangenen fünf Jahren hatten die Tories Rücksicht auf den Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, nehmen müssen. Dass die diesjährige Regierungserklärung ohne deren Einfluss zustande kam, ist deutlich zu merken.

Wie erwartet haben die Tories angekündigt, bis spätestens 2017 eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft anzustrengen. Deutlicher noch zeigt sich die konservative Handschrift in den Vorhaben, die Regulierungen für Unternehmen zu lockern, die Kompetenzen der Geheimdienste auszuweiten und die Macht der Gewerkschaften einzuschränken. Schon Margaret Thatcher hat sich in den Achtzigerjahren mit den Gewerkschaften angelegt, ihr politischer Enkel David Cameron möchte diesen Kampf nun offenbar fortsetzen. So soll es den Gewerkschaften erschwert werden, Streiks auszurufen. Der Premier kann mit hartem Widerstand rechnen.

Viele Tories fühlten sich in den vergangenen fünf Jahren von den Liberaldemokraten gebremst. Die Hardliner unter den Konservativen sprachen stets mit tiefer Verachtung über die Koalition, als sei diese eine anrüchige Form des Regierens. Die Liberaldemokraten verweisen nun darauf, dass der neuen Regierung ein mäßigender Partner fehlt, und mit Blick auf Camerons erste Regierungserklärung steht zu vermuten, dass sie damit recht haben. 1997 haben die Tories eine noch größere Niederlage hinnehmen müssen als diesmal Labour. Es hat 18 Jahre gedauert, bis Großbritannien wieder vor einer rein konservativ geprägten Zeit steht. Wenn die Labour-Partei ihre Sprache nicht bald wiederfindet, könnte daraus eine Epoche werden.

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