Großbritannien:"Instinktiv feindselig"

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Jeremy Corbyn im September 2016 in Liverpool. (Foto: Oli Scarff/AFP)

Gegen Labour-Chef Corbyn gibt es neue Antisemitismus-Vorwürfe - ihr Anlass liegt allerdings schon eine Weile zurück: Vor Jahren verteidigte er den Maler eines antisemitischen Wandbilds. Nun rufen jüdische Verbände zum Protest auf.

Von Cathrin Kahlweit, London

Das Wandbild war krude und eindeutig: Es zeigte sechs Männer mit Hakennasen und langen Bärten, die Monopoly spielen. Das Spielbrett lag auf den Rücken knieender, nackter, dunkelhäutiger Männer. Die Botschaft war klar: Hier machen Juden Geld auf dem Rücken von Sklaven. Vor sechs Jahren sollte dieses antisemitische Machwerk von einer Wand im Londoner East End entfernt werden; der Künstler beschwerte sich kurz davor via Facebook, er nannte sein Wandbild eine "freie Meinungsäußerung".

Der Labour-Politiker Jeremy Corbyn, der heute Parteichef ist, zeigte Sympathie für den Künstler, anstatt darauf zu verweisen, dass es sich hier um Volksverhetzung handeln dürfte. "Sie sind in guter Gesellschaft", schrieb er, Rockefeller habe dereinst auch ein "Wandbild von Diego Rivera entfernen lassen, weil es das Gesicht von Lenin" enthalten habe.

Jetzt, sechs Jahre später, fliegt dieser Facebook-Eintrag Corbyn um die Ohren. Der Labour-Chef wird regelmäßig mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert; unter anderem gehörte er eine Weile einer palästinenserfreundlichen Facebook-Gruppe an, die antisemitische Botschaften verbreitet, zudem gilt Corbyn als zu unkritisch gegenüber Hamas und Hisbollah. Als die Wandbild-Geschichte jetzt wieder hochkam - oder, was wahrscheinlich ist, von innerparteilichen Gegnern wieder ausgegraben wurde -, entschuldigte sich Corbyn erst damit, er habe nicht genau auf das Bild geschaut, seine Bemerkung sei allgemein gehalten gewesen. Aber nun steht seine Partei Kopf, und nicht nur die.

Die Sache mit dem Wandbild liegt sechs Jahre zurück, doch Corbyn ist deshalb erneut unter Druck

Parteikollegen zeigten sich empört und nannten die Äußerung "inakzeptabel", einige forderten eine weiter reichende Entschuldigung. Der prominente Brexit-Gegner Chuka Umunna etwa, Sohn eines Nigerianers und einer der kommenden Labour-Stars, klagt, die Partei würde bei Diskriminierungsvorwürfen gegen Schwarze viel härter reagieren, als wenn es sich um antisemitische Ausfälle handele. Corbyn schickte Entschuldigung Nummer zwei: Der Inhalt des Wandbildes sei empörend, und ja, es gebe in der Labour-Partei einige Restbestände antisemitischer Umtriebe. Das müsse dringend ein Ende haben. Ein Parteivize verteidigte den Chef am Sonntag und kündigte an, dieser sei mit Vertretern der jüdischen Gemeinden verabredet. Aber die wussten davon nichts.

Stattdessen gingen zwei britische jüdische Verbände in die Offensive und warfen dem Labour-Chef vor, aufgrund seiner "antiisraelischen, antizionistischen Ideologie" sei er "instinktiv feindselig" gegenüber jüdischen Gemeinden. Für Montagabend riefen sie zu einer Demonstration vor dem Parlament auf.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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