Großbritannien:Gift in der Flasche

Mehr als eine Woche lang hatte die Polizei nach einem Behältnis mit Nowitschok gesucht, an dem sich zwei Menschen infiziert haben konnten. Jetzt fanden sie das Nervengift in einer Flasche.

Von Cathrin Kahlweit, London

Mehr als eine Woche lang hatten die Polizisten des Bezirks Wiltshire und zusätzlich aus London angereiste Antiterror-Einheiten nach einem Behältnis, einer Spritze, einer Dose, einer Flasche gesucht, an der sich Dawn Sturgess und Charlie Rowley mit dem Nowitschok-Nervengift infiziert haben konnten. Am Mittwoch, drei Tage nach dem Tod von Sturgess im Krankenhaus von Salisbury, wurde in der Wohnung ihres Lebensgefährten im acht Kilometer entfernten Amesbury eine kleine Flasche gefunden. Rowley liegt noch immer im Krankenhaus, ist aber bei Bewusstsein und redet seit zwei Tagen auch mit Polizeibeamten.

Die Polizei schickte den Fund ins militärische Forschungslabor Porton Down; am Freitagabend kam die Nachricht: Eben in dieser kleinen Flasche war ganz offensichtlich das Nervengift enthalten, das Salisbury und seine Bevölkerung seit mindestens ebenso vielen Monaten in Atem hält wie die britische Regierung.

Nun soll in Porton Down die Feinanalyse stattfinden, um festzustellen, ob es sich um eben die Tranche von dem Gift handelt, mit dem im März nach Überzeugung der Regierung Sergej Skripal und seine Tochter Julia von Attentätern im Auftrag des russischen Staates vergiftet wurden.

Bisher hält sich die Polizei mit weiteren Informationen zurück: Warum man auf diese Flasche kam, wie groß sie ist, ob sie weitere Hinweise auf mögliche Täter enthält - all das will man erst nach einer sorgfältigen Prüfung bekanntgeben. Dafür sollen, nachdem ihr britischer Vertreter Peter Wilson eine entsprechende Einladung ausgesprochen hatte, kommende Woche Experten der unabhängigen Organisation für die Verhinderung der Verbreitung von Chemiewaffen (OPCW) anreisen, die schon vor vier Monaten im Südwesten Englands im Einsatz gewesen waren. Sie hatten damals nach längerer Prüfung festgestellt, dass es sich bei dem Gift, mit dem die Skripals infiziert wurden, um eine sehr reine Form des Nervengiftes Nowitschok handele, wie sie in der UdSSR entwickelt und von Russland mutmaßlich unter Verstoß gegen internationale Abkommen weiter vorgehalten worden war.

Der Fund des Gefäßes und eine Zeugenaussage könnten auch zunehmende Zweifel daran ausräumen helfen, dass die von der britischen Regierung so entschieden vertretene These stimmig ist, Moskau habe den Angriff auf den Ex-Spion Sergej Skripal in Auftrag gegeben. Vater und Tochter waren im Abstand von einigen Wochen aus dem Krankenhaus von Salisbury entlassen und nach Angaben der Polizei zum eigenen Schutz an einen unbekannten Ort gebracht worden. Julia Skripal hatte sich danach noch einmal schriftlich an die Öffentlichkeit gewandt, danach war es still um die beiden geworden. Polizei und Regierung hielten sich mit weiteren Informationen zu dem Fall zurück, bis vor knapp zwei Wochen das Paar Sturgess und Rowley überraschend an einer Nowitschok-Vergiftung erkrankte. Die Polizei mutmaßte, die beiden hätten das Gefäß gefunden, das russische Attentäter entsorgt hatten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: