EU und Großbritannien:Queen warnt vor "gefährlicher" Spaltung Europas

  • Großbritanniens Premierminister Cameron will den EU-Gipfel am Donnerstag nutzen, um seine Vorstellungen einer EU-Reform voranzutreiben.
  • Unterstützung erhofft sich Cameron dabei aus Deutschland. Beim Staatsbesuch am Mittwoch betont Bundespräsident Gauck, wie wichtig Großbritannien für die EU sei.
  • Cameron wünscht sich eine Stärkung der Nationalstaaten.
  • Spätestens im Herbst 2016 will Cameron in einem Referendum über den Verbleib des Königreichs in der EU abstimmen lassen.

Von Christian Zaschke

Es stehen beim EU-Gipfel in Brüssel von diesem Donnerstag an nicht gerade unwichtige Themen auf der Agenda, unter anderen die Griechenland-Krise und die Frage, wie die Gemeinschaft mit den Migranten auf dem Mittelmeer umgehen soll.

Dennoch hat sich der britische Premierminister David Cameron fest vorgenommen, auf diesem Gipfel nun endlich über seine konkreten Vorstellungen von einer Reform der Union zu sprechen. Der Premier wird bis spätestens Ende 2017 eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs anstrengen.

Als wichtigste Verbündete sieht Cameron Merkel

Vor dem Referendum will Cameron die Bedingungen der britischen Mitgliedschaft neu verhandeln. In den vergangenen Wochen ist er daher durch Europa gereist, um bei den anderen 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten für seine Pläne zu werben. Er habe "gute Reaktionen" erfahren, sagte der Premier, es liege aber noch "harte Arbeit" vor ihm.

Bisher hat Cameron nicht im Detail ausgeführt, was er an Veränderungen will. Beim nun anstehenden Gipfel will er seine Vorstellungen konkretisieren. Als seine wichtigste Verbündete sieht er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch deshalb ist er am Vorabend des Brüsseler Gipfels nach Berlin gereist, um am Rande des Staatsbesuchs von Königin Elizabeth II. mit Merkel zu sprechen.

Gauck appelliert an Briten, in der Union zu bleiben

Eine Antwort erhielt Cameron sogleich von Bundespräsident Joachim Gauck. Beim Staatsbankett zu Ehren der britischen Königin appellierte Gauck in einer ungewöhnlich politischen Tischrede an Großbritannien, Mitglied der Staatengemeinschaft zu bleiben. "Die Europäische Union braucht Großbritannien", sagte Gauck am Mittwochabend. Auch die Königin sprach über den Zusammenhalt in Europa: "Wir wissen, dass Spaltung in Europa gefährlich ist und dass wir uns davor in Acht nehmen müssen", sagte sie.

"Dies bleibt unser gemeinsames Bestreben." Was Cameron im Groben will, ist klar. Er setzt sich zum Beispiel für weniger bürokratische Hemmnisse für die Wirtschaft ein und fordert, schnellstens Freihandelsabkommen mit den USA und asiatischen Ländern zu schließen. Weiterhin will er regeln, dass Staaten, die den Euro als Währung ablehnen, in der Gemeinschaft nicht benachteiligt werden. Zudem befürwortet der Premier strengere Einwanderungsregeln, um sicherzustellen, dass keine gezielte Einwanderung in die Sozialsysteme der reicheren EU-Staaten stattfindet.

Cameron will eine Stärkung der Nationalstaaten

Cameron fordert weiter, dass nationale Parlamente künftig zusammenarbeiten können, um Gesetzesvorhaben aus Brüssel zu blockieren. Ferner sollen Kompetenzen aus Brüssel zurück an die Parlamente gegeben werden. Zudem soll geregelt werden, dass die, wie es die konservativen Tories formulieren, "unnötige Einmischung" des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die Arbeit der britischen Justiz ein Ende hat.

Ursprünglich wollte Cameron auch die Freizügigkeit der Bürger von neuen EU-Mitgliedstaaten einschränken, um "riesige Völkerwanderungen" über den Kontinent zu verhindern. Mittlerweile hat er aber eingesehen, dass die Freizügigkeit nicht verhandelbar ist, weshalb er nun defensivere Formulierungen wählt.

Möglicherweise Ausnahmegenehmigung für Briten

Ein besonderer Dorn im Auge ist den britischen Konservativen, dass in den EU-Verträgen festgelegt ist, dass die Mitgliedstaaten den "immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker" anstreben. "Das mag auf andere Länder anziehend wirken, aber nicht auf uns", schrieb Cameron in einem Beitrag für den Daily Telegraph. Als möglich gilt, dass die Briten eine Art unverbindliche Ausnahmegenehmigung erhalten. In Brüssel herrscht allerdings leichte Verwunderung darüber, dass die Tories dieser Punkt so sehr umtreibt.

Wie ernst es Cameron mit dem Projekt ist, zeigt sich daran, dass er in den vergangenen Wochen auf dem Kontinent unterwegs war, um den Gipfel vorzubereiten. Seine Partei hat das mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, die Reisen zeigten, "dass er diesmal nicht kalt in die Verhandlungen" gehe, sagte ein Abgeordneter.

Euro-Skeptiker wollen so spät wie möglich abstimmen lassen

Zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2010 hatte Cameron noch gesagt, die Tories müssten endlich aufhören, fortwährend über Europa zu sprechen. Nun werden die Verhandlungen die erste Hälfte seiner zweiten Amtszeit maßgeblich prägen.

Bis Ende dieses Jahres möchte David Cameron seine Verhandlungen möglichst weit vorangetrieben, wenn nicht gar abgeschlossen haben. Er will so früh wie möglich abstimmen lassen, als wahrscheinlicher Termin gilt der Herbst 2016. Allerdings sind da die unberechenbaren EU-Skeptiker in seinen eigenen Reihen. Diese wollen die Diskussion möglichst breit und möglichst lange führen, weil sie glauben: je später die Abstimmung, desto größer die Chance, dass Großbritannien tatsächlich austritt.

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