Brexit:Der Kampf um Camerons Nachfolge wird hässlich

Brexit: Theresa May, links, Andrea Leadsom, rechts.

Theresa May, links, Andrea Leadsom, rechts.

(Foto: AP)
  • Theresa May und Andrea Leadsom wollen die Cameron-Nachfolge antreten.
  • Im September wird spätestens von der Parteibasis entschieden.
  • Schon jetzt startet der Wahlkampf und dreht sich wieder einmal nicht um politische Fragen, sondern um die Kinderlosigkeit Mays.

Von Christian Zaschke

Es hat nur zwei Tage gedauert, bis der Kampf um den Parteivorsitz der britischen Konservativen hässlich wurde. Noch am Freitag hatte der Daily Telegraph geschrieben, die Auseinandersetzung darüber, wer im September neue Chefin der Tories und damit Premierministerin wird, solle kraftvoll sein und die Partei nach dem erbitterten Streit über die EU-Mitgliedschaft wieder einen. Dann gab die Kandidatin Andrea Leadsom der Londoner Times ein Interview, in dem sie unter anderem über ihre Rolle als Mutter sprach; und seither ist der Wahlkampf zwar wie vom Telegraph gewünscht kraftvoll, trägt aber sicherlich nicht zur Einheit der Tories bei.

Leadsom wurde in dem Gespräch gefragt, ob sie sich als "Mutter in der Politik" fühle. Es war klar, worauf die Journalisten hinauswollten: Leadsom hat drei Kinder, die Ehe von Konkurrentin Theresa May ist kinderlos. Die Frage war, ob Leadsom versuchen würde, daraus politisches Kapital zu schlagen. Die Versuchung war groß, denn die Siegerin der Auseinandersetzung wird in den kommenden Wochen von den 150 000 Mitgliedern der Konservativen Partei gekürt, und diese bevorzugen meist traditionelle Familienmodelle. Als Premier David Cameron sich 2005 um den Vorsitz der Partei bewarb, ließ er keine Gelegenheit aus, sich mit Frau und Kindern zu zeigen.

"Andrea hat Kinder und Theresa nicht"

Die Times hat mittlerweile eine Aufnahme der entscheidenden Passage veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass Leadsom sagte, man müsse vorsichtig sein - sie kenne May nicht so gut und sei sicher, dass diese traurig darüber sei, keine Kinder zu haben. Keinesfalls, das betonte sie, wolle sie die Auseinandersetzung entlang der Linie führen "Andrea hat Kinder und Theresa nicht". Sie sagte: "Ich glaube, das wäre wirklich schrecklich." Dabei hätte sie es bewenden lassen können. Anschließend plauderte sie aber darüber, dass man als Mutter einen konkreten Anteil an der Zukunft des Landes habe. May habe sicherlich Nichten und Neffen und andere, die ihr nahe stünden, meinte sie. Aber sie selbst habe eben Kinder, die wiederum Kinder haben würden, was sie in anderer Weise auf die Zukunft fokussiere.

Nun ist es in Großbritannien üblich, dass Interviews nicht autorisiert werden. Zudem werden sie in der Regel nicht im Frage-Antwort-Format aufgeschrieben sondern als Fließtext. Die Times beschloss, die Aussagen etwas zuzuspitzen, oder, wie Leadsom sagt: komplett zu verzerren. Das Blatt ignorierte Leadsoms Einschränkung, sie wolle nicht, dass es eine Auseinandersetzung über Mutterschaft werde, und titelte, dass Leadsom gesagt habe, ihre Kinder würden ihr einen Vorteil gegenüber May verschaffen.

Der Kampf der beiden Frauen hat sein erstes großes Thema

Unter den Anhängern Mays herrscht jetzt laute Entrüstung darüber, dass Leadsom es gewagt hatte, Mays Kinderlosigkeit zum Thema zu machen. Sie müsse umgehend zurücktreten. Leadsoms Anhänger sind ebenfalls stocksauer und wittern eine Verschwörung "des Establishments" gegen die Kandidatin, die sich eindeutig für den Brexit ausgesprochen hat. Zwei Monate wird der Kampf der beiden Frauen noch dauern und hat nun sein erstes großes Thema. Dass es dabei mal wieder nicht um politische Fakten geht, passt ins derzeit so aufgeregte Klima in Großbritannien.

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