Großbritannien:Die mahnende Präsenz der Theresa May

Großbritannien: Das House of Lords debattiert seit Montag über ein Gesetz zum Ausstieg aus der EU. Theresa May ermahnte die Mitglieder, den Willen der Wähler zu respektieren.

Das House of Lords debattiert seit Montag über ein Gesetz zum Ausstieg aus der EU. Theresa May ermahnte die Mitglieder, den Willen der Wähler zu respektieren.

(Foto: AFP)

Dass die britische Premierministerin der Brexit-Debatte des Oberhauses beiwohnt, ist ein außergewöhnlicher Schritt. Auch wenn ihr Sprecher versichert, dies sei keinesfalls als Drohung zu verstehen.

Von Christian Zaschke, London

Theresa May saß aufrecht, sie hielt die Hände über den Knien gefaltet und hörte aufmerksam zu. Die Mitglieder des Oberhauses taten so, als sei sie gar nicht da, doch ihre Präsenz war unübersehbar, und das war auch genau so gewollt. Die britische Premierministerin hatte sich zu dem außergewöhnlichen Schritt entschlossen, den Beginn der Brexit-Debatte im House of Lords persönlich zu verfolgen.

Als Premierministerin sitzt May im Unterhaus, im Oberhaus darf sie lediglich am Rande sitzen. Von diesem Recht machen Regierungschefs üblicherweise keinen Gebrauch. Seit Montag debattiert das Oberhaus über ein Gesetz, das es Mays Regierung erlaubt, Brüssel auch offiziell vom Wunsch auf Austritt aus der EU zu unterrichten. Das Unterhaus hat das Gesetz bereits verabschiedet. Die Zustimmung im Oberhaus wird am 7. März erwartet. Dass die Parlamentarier zustimmen, gilt als sicher. Die spannende Frage ist allein, ob sie Änderungen am Gesetz vorschlagen werden. In diesem Fall müsste das Unterhaus sich erneut zusammensetzen.

Das will May auf jeden Fall verhindern. Mehrmals hat sie das Oberhaus ermahnt, das Ergebnis des Referendums vom vergangenen Jahr zu respektieren, in dem knapp 52 Prozent der Wähler für den Austritt aus der EU votiert hatten. Mit ihrem persönlichen Erscheinen hat sie untermauert, wie wichtig es ihr ist, dass das Gesetz rasch und ohne Änderungen verabschiedet wird. Keinesfalls sei ihre Anwesenheit als Drohung zu verstehen, teilte ein Sprecher von May mit. Allerdings wirkte sie wie eine Figur aus einem Mafia-Film, wie eine Patin, die ihren Blick interessiert durch den Raum schweifen lässt und sagt: "Wirklich sehr schön haben Sie es hier. Es wäre doch zu schade, wenn man den Laden eines Tages zumachen müsste." Tatsächlich hatten einige Brexit-Befürworter laut darüber nachgedacht, dass man das Oberhaus reformieren, gar abschaffen sollte, falls es das Votum des Unterhauses blockierte.

Das Gesetz ist äußerst kurz und regelt keinerlei Details des Austritts. Es geht allein darum, dass die Regierung den Austrittsprozess gemäß Artikel 50 der EU-Verträge einleiten darf. Das soll bis Ende März geschehen. Danach beginnt eine maximal zwei Jahre währende Verhandlungsphase, in der die Briten und die EU sich über die Einzelheiten des Austritts einigen müssen. Als sicher gilt, dass Großbritannien nicht mehr Teil des Binnenmarktes sein wird. Hauptaufgabe wird daher sein, sich über ein neues Handelsabkommen zu einigen.

Das Hin und Her könnte sich theoretisch eine Weile hinziehen

Anders als im Unterhaus haben die Konservativen im Oberhaus keine Mehrheit. Sie stellen 252 Abgeordnete, Labour 202, die Liberaldemokraten 102. Es wird also vor allem auf die 178 parteilosen Parlamentarier ankommen. Die Labour-Partei hat zwar erklärt, sie werde das Gesetz nicht stoppen, sie möchte aber Änderungen durchsetzen. Dabei geht es vor allem um zwei Punkte. Erstens soll das Bleiberecht von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern garantiert werden. Zweitens soll das Parlament mehr Einfluss auf die Austrittsverhandlungen haben.

May hat zwar zugesichert, dass sie den EU-Bürgern gern rasch ihre Rechte garantiere, doch wolle sie das erst tun, wenn gleiches für auf dem Kontinent lebende Briten zugesichert werde. Von strengerer Überwachung der Verhandlungen durch das Parlament hält sie hingegen wenig. Sie hat in Aussicht gestellt, dass am Ende der Gespräche einmal abgestimmt werden könne. Das Parlament soll aber keine Änderungen am Verhandlungsergebnis einbringen können, sondern lediglich darüber befinden, ob es den ausgehandelten Deal mit der EU gutheiße oder nicht. Im Falle der Ablehnung, sagt May, trete Großbritannien eben ohne Deal aus der EU aus.

Sollte es im Oberhaus eine Mehrheit für Änderungen am Gesetz geben, müsste das Unterhaus darüber befinden, ob es diese annimmt. Lehnte es sie ab, was zu erwarten wäre, kehrte das Gesetz erneut ins Oberhaus zurück. Dieses Hin und Her könnte sich theoretisch eine ganze Weile hinziehen. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass das Oberhaus sich schlussendlich dem Willen der Premierministerin beugen wird.

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