Großbritannien:Der eiserne David

Wie einst bei Thatcher: die britischen Konservativen um Premier David Cameron knöpfen sich ihren Lieblingsfeind vor, die Gewerkschaften. Das Streikrecht soll massiv eingeschränkt werden.

Von Christian Zaschke

Es hat nicht lange gedauert nach dem Wahlsieg im Mai, bis sich die britischen Konservativen ihrem historischen Lieblingsfeind zugewandt haben. An diesem Mittwoch haben die Tories einen Gesetzesentwurf zur ersten Lesung ins Parlament eingebracht, der die Macht der Gewerkschaften einschränken soll. Unter anderem soll es erschwert werden, Streiks auszurufen.

Würde das Gesetz im Laufe des Jahres verabschiedet, wovon wegen der absoluten Mehrheit der Konservativen auszugehen ist, wäre es die größte Beschneidung von Gewerkschaftsrechten seit 30 Jahren. Damals hatte sich Premierministerin Margaret Thatcher eine epische Schlacht mit den Gewerkschaften geliefert - und gewonnen.

In Thatchers Geiste will der aktuelle Premier David Cameron die 149 Arbeitnehmervertretungen im Land deutlich schärfer kontrollieren. Bei Urabstimmungen über Streiks soll es künftig ein doppeltes Quorum geben. Mindestens 50 Prozent der Befragten müssen ihre Stimme abgeben, damit die Wahl gültig ist. Zudem müssen im öffentlichen Dienst 40 Prozent der Befragten für den Streik stimmen. Das bedeutet, dass zum Beispiel von 100 Busfahrern mindestens 50 teilnehmen und 40 für einen Streik stimmen müssen, bevor eine Arbeitsniederlegung rechtens ist.

Zudem wollen die Tories künftig erlauben, dass Arbeitgeber, deren Unternehmen bestreikt werden, bei Zeitarbeitsfirmen und anderen Arbeitsagenturen kurzfristig Ersatz anheuern, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das ist bisher verboten. Weiterhin sollen die Gewerkschaften die Arbeitgeber mindestens zwei Wochen vor Streikbeginn informieren müssen.

Diese Initiative der Tories kommt etwas überraschend, weil die Zahl der Streiks in Großbritannien sich auf einem historischen Tiefstand befindet. Als Margaret Thatcher sich mit den Gewerkschaften anlegte, war deren Macht immens, die dauernden Streiks galten als "Britische Krankheit". Legendär ist der "Winter des Missvergnügens", als sich Anfang 1979 wegen wochenlanger Streiks Müllberge in den Städten türmten und in Liverpool wegen eines Ausstands der Bestatter die Toten nicht mehr beerdigt werden konnten. Es ist aus Sicht der Gewerkschaften eine Ironie der Geschichte, dass der Verdruss über diese Zustände der Hauptgrund dafür war, dass Thatcher 1979 die Wahl gegen die gewerkschaftsnahe Labour-Partei gewann. Anschließend ging sie methodisch gegen die Gewerkschaften vor und brach deren Macht im Bergarbeiterstreik von 1985.

Die neuen Maßnahmen sollen laut den Konservativen eine "bessere Balance" zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Gewerkschaften herstellen. Die Wirtschaftsverbände zeigten sich am Mittwoch angetan von dem Entwurf. Die Gewerkschaften reagierten empört. Sie argumentieren, es werde durch diese Regelung nahezu unmöglich, überhaupt einen Streik zu organisieren, geschweige denn einen effektiven. Ein Gewerkschaftsboss sagte, die Pläne der Konservativen seien typisch für "hart rechte Regime". Ein anderer wurde noch etwas deutlicher. Er sagte, die Maßnahmen "schmecken nach dem Deutschland der Dreißigerjahre".

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