Großbritannien:Blair räumt Misserfolg bei Waffensuche im Irak ein

Der britische Premier Tony Blair hat erstmals seine Erwartungen relativiert, dass noch Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden. "Ich gebe zu, dass nicht gefunden wurde, was ich und viele andere mit Zuversicht erwartet haben", sagte Blair.

Von Christoph Schwennnicke

Er sei nach wie vor überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gebe, sagte Blair bei der Generaldebatte über den Hutton-Report am Mittwoch im britischen Unterhaus. Aber wenn sich erweise, dass Teile des Geheimdienstmaterials falsch gewesen seien, "dann werde ich das akzeptieren", sagte Blair.

Zuvor hatte Blair Vorwürfe zurückgewiesen, die Zielsetzung der Butler-Kommission zur Untersuchung des Geheimdienstmaterials, das zum Irak-Krieg führte, greife zu kurz. Zugleich schürte eine Veröffentlichung eines ehemaligen Geheimdienst-Mitarbeiters den Verdacht, Geheimdienst-Verantwortliche hätten Warnungen ihrer Mitarbeiter vor übertriebenen Angaben zu irakischen Waffenprogrammen in der Zeit vor dem Krieg nicht beachtet.

Blair führte in der Fragestunde des Unterhauses auf Vorhalt der Liberaldemokraten aus, eine Kommission wie die jüngst eingerichtete unter Lord Butler, könne nicht darüber richten, ob es richtig oder falsch gewesen sei, in den Krieg gegen den Irak zu ziehen. Vielmehr müsse die Kommission prüfen, wie mit dem zugrunde liegenden Geheimdienstmaterial umgegangen worden sei.

Die politische Verantwortung für die Richtigkeit der Entscheidung zum Krieg liege bei ihm und nicht bei einer Kommission, sagte Blair. Die Liberaldemokraten hatten sich zuvor der Einsetzung der Butler-Kommission verweigert, weil sie die Fragestellung für zu eng hielten.

In Großbritannien sorgte derweil ein Artikel des ehemaligen Nachrichtendienstlers Brian Jones für Aufsehen. Er schrieb in der Tageszeitung Independent, er und weitere Fachleute hätten sich über das Erstellen eines Geheimdienst-Dokuments beschwert, in welchem dem Irak das Betreiben biologischer und chemischer Waffenprogramme unterstellt worden sei.

Sie hätten befürchtet, zum "Sündenbock" gemacht zu werden, wenn im Irak keine Massenvernichtungswaffen entdeckt würden.

Die Geheimdienstexperten seien bei der Vorbereitung des umstrittenen Irak-Berichts im September 2002 jedoch "überstimmt" worden, was zu einer "irreführenden" Vorstellung des irakischen Waffenpotenzials geführt habe, schrieb Jones.

Es habe keinen Hinweis gegeben, dass das irakische Militär in den zurückliegenden zehn Jahren den Einsatz chemischer oder biologischer Waffen getestet habe. Die Experten wollten demnach in den Bericht aufnehmen, dass der Irak "wahrscheinlich" zur Kriegsführung mit C- oder B-Waffen in der Lage gewesen sei.

Eine schärfere Behauptung hätten sie abgelehnt. Dennoch seien "die stärkeren Aussagen" schließlich in einer abschließenden Zusammenfassung enthalten gewesen, heißt es in dem Beitrag des früheren Abteilungsleiters, der im Januar des vergangenen Jahres seinen Posten niederlegte.

Jones macht den Leiter des Geheimdienstausschusses, John Scarlett, für die Zuspitzung der Informationen verantwortlich.

Blair ging in der Generaldebatte zum Hutton-Report im Unterhaus ausführlich auf Jones' Einlassungen ein. Dieser sei zwar ein sehr respektierter Fachmann, liege aber falsch mit seinen Behauptungen.

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