Großbritannien:Auf der Yacht des Oligarchen

Lesezeit: 3 min

Ein Skandal um die angebliche Parteispende eines russischen Milliardärs bringt George Osborne, den Nachwuchsstar der britischen Konservativen, in Bedrängnis.

Wolfgang Koydl

Die Geschichte hat alle Zutaten für einen handfesten, ja für einen saftigen Skandal: neureiche russische Milliardäre und alten europäischen Geldadel, britische Oberklassenpolitiker aus dem Netzwerk der Old Boys aus Eton und Oxford sowie machiavellistische Dunkelmänner, die aus dem Hintergrund die Fäden ziehen. Auch die Schauplätze der Affäre können sich sehen lassen: Luxus-Villen und Nobel-Yachten in einem mediterranen Urlaubsparadies.

Der Tory-Politiker George Osborne dementiert, den russischen Oligarchen Oleg Deripaska um eine Spende für seine Partei gebeten zu haben. (Foto: Foto: Getty)

Dieser Skandal droht nicht nur die Karriere eines der talentiertesten Politiker der britischen Konservativen zu zerstören, sondern auch die Erfolgsaussichten der Torys bei den nächsten Wahlen nachhaltig zu beschädigen. Denn die Affäre hat tief sitzenden Vorurteilen erneut Auftrieb verliehen, wonach das Führungspersonal dieser Partei noch immer viel zu elitär sei, um Verständnis für die Sorgen von Normalverdienern aufbringen zu können.

Sicher ist, dass George Osborne, der 36-jährige wirtschaftspolitische Sprecher im Schattenkabinett von Tory-Führer David Cameron, im vergangenen August von seinem alten Studienfreund, dem millionenschweren Investmentbanker Nathaniel Rothschild, in dessen Villa auf der griechischen Mittelmeer-Insel Korfu eingeladen war.

Die Gesellschaft, zu der auch der damalige EU-Kommissar und jetzige britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson gehörte, besuchte darüber hinaus den russischen Aluminium-Magnaten Oleg Deripaska, dessen Super-Yacht Queen K in den azurblauen Gewässern des Ionischen Meeres vor Anker gegangen war.

Soviel gibt auch Osborne zu. Ausdrücklich dementierte er jedoch Vorwürfe, wonach er und der eigens zu diesem Zweck zu dem Gespräch hinzugebetene Geldsammler der Konservativen, Andrew Feldman, den auf ein Gesamtvermögen von zehn Milliarden Pfund taxierten Russen um eine Spende in Höhe von 50.000 Pfund Sterling gebeten habe. "Wir haben um kein Geld gebeten und auch keines erhalten", erklärte er, sichtlich genervt, vor Journalisten.

Osbornes Nervosität ist verständlich: Die Bettelei wäre nicht nur politisch anrüchig, sondern nach britischem Recht sogar strafwürdig. Ein Gesetz aus dem Jahre 2000 untersagt Geldspenden von Ausländern an britische politische Organisationen. Was die Angelegenheit darüber hinaus zu einer persönlichen Fehde werden lässt, ist die Quelle für diese Informationen. Denn es war Osbornes Ex-Freund Rothschild, der sie in einem Brief an die Londoner Times erhob.

Es ist wohl kein Zufall, dass diese Zeitung von dem australischen Verleger Rupert Murdoch herausgegeben wird, der sich - die Welt ist klein - zur fraglichen Zeit ebenfalls in Korfu aufgehalten hatte und von dem man weiß, dass er kein Freund von Osborne und dessen Chef Cameron ist.

Rothschild verheimlichte den Grund für seinen Zorn auch gar nicht. "Private Partys sollen privat bleiben", hatte er geschrieben - und damit direkt Osborne angesprochen. Der hatte einem Journalisten der Sunday Times gesteckt, wie der Labour-Politiker Mandelson ihm gegenüber bei einem gemeinsamen Mittagessen in Korfu "Gift und Galle" gegen Premierminister Gordon Brown gespuckt habe.

Im August wäre das nicht weiter bemerkenswert gewesen: Brown und Mandelson galten als unversöhnliche politische und persönliche Feinde. Doch als Osborne aus dem Nähkästchen plauderte, hatte der Premierminister seine alte Nemesis als Wirtschaftsminister in sein Kabinett berufen. Aus dem bösartigen Klatsch wurde so ein politischer Sprengsatz.

"Allen politischen Parteien steht es schlecht an, unter solchen Umständen Kapital auf Kosten der anderen zu schlagen", schrieb Rothschild im Hinblick auf die als vertraulich eingeschätzten Gespräche in seiner Villa und auf der Yacht. Aus Rothschilds Umgebung verlautete zudem, dass Osborne sich mit seinem Geplapper "ungehörig, illoyal und ungezogen" benommen und damit auf einen Streich zwei Freunde des Bankers - Mandelson und Deripaska - in Misskredit gebracht habe.

Beobachter in Westminster glauben daher, dass es Mandelson selbst - frisch geadelter Baron of Hartlepool and Foy - war, der mit Hilfe Rothschilds Rache geübt hat. Er gilt als Großmeister der politischen Intrige und trägt stolz den Beinamen "Prinz der Finsternis".

Zu den wenigen Politikern, die gestärkt aus dem Skandal hervorgehen, gehört der Premierminister. Im Rückblick erweist sich vor allem die Wahl seines Urlaubsortes als geradezu weise. Brown lud sich nicht bei reichen Freunden ein, sondern fuhr mit Frau und Kindern - redlich und bescheiden - in die Grafschaft Suffolk an die Nordsee. Das Wetter war durchwachsen. Doch dafür bleibt ihm nun ein politischer Sturm erspart.

© SZ vom 23.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: