Griechischer Premier vor der Vertrauensfrage:Schicksalstag für Papandreou

Der Referendumsplan wurde ihm ausgeredet, jetzt steht Giorgos Papandreou am Abgrund: Der griechische Premier stellt die Vertrauensfrage. Beschädigt auch durch Merkel und Sarkozy, muss Papandreou um seine ohnehin schon sehr dünne Mehrheit fürchten. Kann er die Abstimmung politisch überleben? Kommt es zu einer Übergangsregierung? Wie verhält sich die Opposition?

Von Sebastian Gierke

Es wird taktiert und verhandelt, beschwichtigt und attackiert: Die Chaostage der griechischen Politik stehen kurz vor ihrem Höhepunkt. In der kommenden Nacht, traditionell zur Geisterstunde, soll das griechische Parlament über die Vertrauensfrage abstimmen, die Ministerpräsident Giorgos Papandreou gestellt hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Entscheidung, auf die ganz Europa wartet.

Warum stellt Papandreou die Vertrauensfrage?

Giorgos Papandreou ist nach seinem unglücklichen Referendumsvorstoß als Regierungschef stark beschädigt. Er kann sich der Unterstützung seiner sozialistischen Partei Pasok nicht mehr sicher sein. Für ihn geht es in der Nacht zum Samstag ums politische Überleben. Die Sozialisten haben nur eine dünne Mehrheit von zwei Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament. Dabei ist gar nicht klar, ob Papandreou politisch überleben will. Möglicherweise will er sich nur noch einen starken Abgang sichern, ist amtsmüde. Janis Emmanouilidis, Politikwissenschaftler und Europaexperte, hält das für denkbar. Oder sieht Papandreou tatsächlich noch eine Machtoption für sich? "Das kann im Moment nur er selbst beantworten", sagt Emmanouilidis. Papandreou erklärte im Parlament: "Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl."

Wie stehen die Chancen, dass Papandreou die Abstimmung übersteht?

Papandreou versucht im Moment, seine Partei hinter sich zu versammeln. Sein stärkstes Argument: Wenn er die Vertrauensfrage verlieren sollte, wäre die Lage in Griechenland noch verfahrener. Dann müssten unter der Regie des Staatspräsidenten Sondierungen zur Bildung einer neuen Koalitionsregierung oder Interimsregierung stattfinden - oder es gibt Neuwahlen. Die Folge wäre ein politisches Vakuum in Athen. Genau das kann sich Griechenland im Moment nicht leisten. Papandreou will deshalb ein Ja bei der Vertrauensabstimmung und danach sofort Verhandlungen mit der Opposition zur Bildung einer Übergangsregierung. Diese anstehenden Verhandlungen könnten Papandreous Fraktion bei der Vertrauensabstimmung auf Linie zwingen: Wenn die Regierungsmehrheit nicht steht, hätten die Sozialisten keine Verhandlungsbasis mehr für die anstehenden Gespräche mit der Opposition.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldet unter Berufung auf Regierungskreise, dass Papandreou mit mehreren ihm gegenüber kritisch eingestellten Ministern unter Führung von Finanzminister Venizelos bereits eine Vereinbarung zu seinem Rücktritt getroffen hat. Die Minister sollten ihm dabei helfen, die Vertrauensabstimmung zu gewinnen, im Gegenzug sei er zum Abgang bereit und wolle Platz für eine Koalitionsregierung machen. Dennoch, die Mehrheit für Papandreou ist nicht sicher. "Da kann sich in den nächsten Stunden noch viel tun", sagt Experte Emmanouilidis.

Warum hat Papandreou von der Volksabstimmung Abstand genommen?

Giorgos Papandreou versetzte Anfang der Woche ganz Europa in Aufruhr, als er nach den Gipfelbeschlüssen vom 26./27. Oktober ankündigte, ein Referendum über das bereits vereinbarte Reformpaket abhalten zu wollen. Die Aktienkurse stürzten ab - und seither steht Papandreou selbst kurz vor dem Absturz. Die Griechen hatten das Gefühl, dass Papandreou die Verantwortung für die beschlossenen, harten Reformen auf sie abwälzen will. Im Parlament bekam er in den Sekunden nach der Ankündigung nur zögerlich Applaus. Den Gesichtern seiner Parteikollegen war das Entsetzten deutlich anzusehen. Noch am gleichen Tag begann Papandreous hauchdünne Mehrheit zu bröckeln, zwei sozialistische Parlamentarierinnen kündigten schließlich sogar schriftlich an, ihm die Gefolgschaft verweigern zu wollen. Damit hätte der Regierungschef keine eigene Mehrheit mehr im Parlament gehabt. Doch es war nicht nur die Kritik aus Griechenland, die Papandreou veranlasste, die Volksbefragung doch nicht durchführen zu lassen.

Welche Rolle spielten dabei Merkel und Sarkozy?

"Wir schleppen ein Kreuz", sagte Papandreou im Parlament von Athen. "Und sie werfen mit Steinen nach uns." Auch wenn er sie nicht beim Namen genannt hat: Papandreou meinte vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. "Merkozy", wie das Duo von Demonstranten in Athen genannt wird. Merkel und Sarkozy hatten den griechischen Regierungsschef zum G-20-Gipfel nach Cannes zitiert - und ihn abgewatscht für seine Referendumsoffensive. "Mies" sei die Stimmung bei dem Treffen gewesen, erklärte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker.

Merkel und Sarkozy machten Papandreou klar, dass es notfalls auch ohne Griechenland geht. Dass kein Geld mehr überwiesen wird, bevor das Referendum nicht vom Tisch ist. Wenn die Griechen nicht gerettet werden wollen, dann eben nicht, so lautete die Botschaft. Janis Emmanouilidis glaubt, erst Merkel und Sarkozy hätten Papandreou klargemacht, über was er sein Volk da abstimmen lassen wollte: nicht über das Sparpaket, sondern darüber, ob Griechenland überhaupt Mitglied des Euroraumes bleiben kann. Angela Merkel sagte jedenfalls zum ersten Mal öffentlich, dass die EU auch ohne Griechenland könne. "Wir lassen uns den Euro nicht kaputt machen", drohte Sarkozy unverhohlen. Daraufhin kündigte auch Papandrous Finanzminister, Evangelos Venizelos, seinem Regierungschef die Gefolgschaft auf. Eine Sitzung folgte in Athen auf die nächste, am Ende zog Papandreou das Referendum zurück, auch weil sich der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras offenbar bereit erklärt hatte, zumindest darüber zu verhandeln, in eine Übergangsregierung der nationalen Einheit einzutreten.

Es fehlt das Vertrauen

Wie könnte eine Übergangsregierung aussehen?

Griechischer Premier vor der Vertrauensfrage: Für den griechischen Premierminister Giorgos Papandreou geht es um das politische Überleben.

Für den griechischen Premierminister Giorgos Papandreou geht es um das politische Überleben.

(Foto: AFP)

Am Ende dieser Verhandlungen könnte eine Übergangsregierung vor allem aus überparteilichen Persönlichkeiten stehen. Ein Kabinett der Technokraten, das dann versuchen muss, die Euro-Gipfelbeschlüsse umzusetzen. Eine große Koalition aus Papandreous sozialistischer Partei Pasok und der konservativen Nea Dimokratia (ND) ist aufgrund der Verwerfungen zwischen den Parteien unwahrscheinlich, auch wenn Papandreou sie offenbar anstrebt. Wer die Regierung der Technokraten führen würde, dazu gibt es allerdings bislang nur Spekulationen. Experte Emmanouilidis glaubt, es könnte ein in Europa noch gänzlich Unbekannter werden.

Woran kann die Bildung einer Übergangsregierung noch scheitern?

Es fehlt das Vertrauen. Das ist das wohl größte innenpolitische Problem Griechenlands. Schon vor fünf Monaten sah es so aus, als könnten sich die verfeindeten Parteien, die Sozialisten und die Nea Dimokratia, auf eine Übergangsregierung einigen. Doch Ränkespiele und überzogene Forderungen ließen die Verhandlungen platzen.

Ähnlich könnte es auch dieses Mal kommen: Zwar sah es am Donnerstag nach einem Telefongespräch zwischen Papandreou und Oppositionsführer Antonis Samaras so aus, als könnte die Krise schnell beendet werden. Nach vielen Monaten erbitterten innenpolitischen Streits glaubten viele bereits an die "Regierung der Nationalen Rettung". Doch dann wollte Samaras im Parlament doch wieder den Rücktritt Papandreous. Eine Forderung, die Papandreou bislang nicht erfüllen will, weil das Land seiner Meinung nach nicht von heute auf morgen ohne Regierung bleiben könne. Trotzdem erklärte er sich bereit, weitere Gespräche mit der Opposition zu führen. Doch niemand weiß, ob diese Verhandlungen Aussicht auf Erfolg haben. Schon haben mehrere Abgeordnete der Sozialisten angekündigt, sie werden bei der Vertrauensfrage nur dann zustimmen, wenn sie sicher sind, dass Papandreou wirklich anschließend der Bildung einer Übergangsregierung zustimmt. Doch sicher scheint im Moment in Griechenland nichts. Es fehlt das Vertrauen.

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