Griechischer Ministerpräsident Samaras:Müder Zweckoptimist

Griechischer Ministerpräsident Samaras: Zuversichtlich sollen seine Worte klingen: Griechenlands Ministerpräsident Samaras

Zuversichtlich sollen seine Worte klingen: Griechenlands Ministerpräsident Samaras

(Foto: AFP)

Eine "doppelte Rückkehr" Griechenlands verspricht Ministerpräsident Samaras für 2014: Athen will die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und einen ausgeglichenen Etat vorlegen. Samaras' Worte sollen zuversichtlich klingen. Doch es sind Herkules-Aufgaben für das Krisenland.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Christiane Schlötzer, Athen

Griechenlands Premier Antonis Samaras bemüht sich um positive Nachrichten. 2014 werde "das Jahr der doppelten Rückkehr" seines Landes in die Gemeinschaft sein, sagte er nach einem Mittagessen mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Dienstag in Brüssel.

Griechenland werde von Januar 2014 an für sechs Monate die Geschäfte der Europäischen Union führen. Etwa zur gleichen Zeit werde der griechische Haushalt zum ersten Mal seit Jahren ausgeglichen sein. Griechenland werde wieder ein normales Mitglied der Gemeinschaft, niemand spreche mehr über grexit, den Ausstieg des Landes aus der Währungsgemeinschaft, sagte der Premier.

Zuversichtlich sollten die Worte klingen, aber wer ihm beim Sprechen zusah, erkannte einen anderen Samaras. Müde wirkte der konservative Politiker, sichtlich erschöpft und im Gegensatz zu dem minutenlang über die Erfolge Griechenlands referierenden Barroso regelrecht wortkarg.

Was ihn umtreibt, dürften nicht nur die am kommenden Montag in Athen erneut beginnenden Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern, also der Troika aus Europäischer Union, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, sein. Von deren Buchprüfung hängt ab, ob Athen die nächste Kreditrate bekommt. Kopfzerbrechen wird ihm auch die Ratspräsidentschaft machen.

Schon thematisch ist sie eine enorme Herausforderung, denn Samaras muss in den Monaten bis zur Europawahl am 22. Mai gleich mehrere Vorhaben abschließen, die zu den wichtigsten der vergangenen Jahre zählen. Dazu zählen die Regeln zur Abwicklung maroder Banken, die Abstimmung der Haushaltspläne aller EU-Länder und die Jugendbeschäftigungsprogramme. Zudem steht im April der "große Kassensturz" der Troika an. Mitten in seiner Präsidentschaft wird Griechenland komplett durchleuchtet, um zu sehen, ob und wie viel Hilfskredite das Land noch braucht. Es gibt Experten, die zweifeln, dass ein Land unter diesen Bedingungen die EU-Geschäfte führen kann.

Es geht auch um eine Kraftprobe der Parteien

Hinzu kommt, dass Athen auch für seine sechsmonatige Präsidentschaft Geld braucht. "Um die 100 Millionen Euro", so verlautete aus Kommissionskreisen, koste so ein Halbjahr. Kleinere Länder wie Österreich, Portugal oder Slowenien hätten für ihre Halbjahre jeweils 70 bis 80 Millionen Euro ausgegeben. Nationen wie Frankreich oder Deutschland dagegen das Doppelte. Wie Athen die Präsidentschaft finanziert, blieb am Dienstag offen. In der Euro-Gruppe hieß es, man gehe davon aus, "dass Griechenland den Bedarf frühzeitig kalkuliert hat und der Betrag in den Hilfspaketen enthalten ist". Sicher sei das allerdings nicht.

Während Samaras in Brüssel redet, erlebt Griechenland eine neue Streikwelle. Sie soll am Mittwoch und Donnerstag ihren Höhepunkt erreichen. Dann wollen weitere Staatsbedienstete für 48 Stunden ihre Arbeit niederlegen und demonstrieren. Der Eingang des staatlichen Krankenhauses Evangelismos, eines der größten Athens, wird schon am Dienstagmorgen von bewaffneten Polizisten bewacht, drinnen behandeln Ärzte nur Notfälle. Die Gymnasiallehrer streiken den zweiten Tag. Mitarbeiter von Universitäten, Renten- und Krankenkassen und der Arbeitsämter sind im Ausstand. Sie protestieren gegen Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst, die schon lange geplant sind und die Samaras unter dem Druck der internationalen Geldgeber umsetzen muss.

Aber es geht noch um mehr: um eine Kraftprobe zwischen Regierung und Opposition, die sich so stark wähnt wie nie. Die Mehrheit für die regierende Koalition aus Konservativen und Sozialisten (Pasok) im Parlament ist mit 153 von 300 Sitzen nur noch hauchdünn.

Der Chef der linken Syriza, Alexis Tsipras, gießt Öl ins Feuer. Eine Umfrage, die in der vergangenen Woche bekannt wurde, platzierte die Partei des 39-jährigen Oppositionsführers mit 29 Prozent knapp vor der Nea Dimokratia (ND) von Samaras, die auf 28 Prozent der Stimmen käme, wenn jetzt Wahlen wären. Im Juli war das Verhältnis noch umgekehrt.

Syriza unterstützt die rollierenden Lehrer-Streiks, die bis Freitag anhalten sollen und, wenn die Lehrer-Gewerkschaft es will, verlängert werden können. Die Linkspartei hat signalisiert, dass sie nichts dagegen hätte, wenn sich Schüler den Streikaufrufen anschlössen. Das hat die Regierung besonders empört. An mehr als zehn Gymnasien sollen schon zu Wochenbeginn Schüler dem Aufruf gefolgt sein. Die Regierung befürchtet, dass der Protest sich ausweitet.

Streitpunkt ist Samaras' Versprechen an die Troika, bis Ende September 12 500 öffentliche Bedienstete bei reduzierten Bezügen in eine sogenannte Mobilitätsreserve zu versetzen, worauf sie, falls sich keine neue Aufgabe für sie findet, im kommenden Jahr entlassen werden können. Bis Jahresende sollen noch einmal 12 500 Beamte dieses Schicksal teilen - Lehrer und Universitätsangestellte eingeschlossen. Der Stellenabbau vollzog sich bisher vor allem durch Frühpensionierungen. Allein im ersten Halbjahr 2013 verabschiedeten sich 15 000 Griechen in die Rente. Erstmals führt eine Website öffentlich Buch. Danach gibt es aktuell noch 614 101 Staatsdiener, nicht eingerechnet die Bediensteten in staatlichen Firmen.

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