Referendum in Griechenland:Gute Idee - zum falschen Zeitpunkt

Bürger, die einen harten Sanierungskurs mit ihrer Stimme legitimieren. Echte Beteiligung des Volkes im Heimatland der Demokratie. Der Vorstoß von Ministerpräsident Papandreou verdient Respekt. Aber niemand weiß, wie es mit Europa weitergeht, wenn der schlimmste Fall eintritt und die Griechen tatsächlich nein sagen. Und so hart es klingt: Die griechische Politik wird nicht mehr allein in Griechenland gemacht, sondern in den Euro-Staaten.

Nico Fried

Der gewöhnliche Beobachter hat meistens einen gewissen, manchmal auch nur heimlichen Respekt vor Zockern. Den Mut zum Alles oder Nichts bringen nur wenige auf. Und wenn einer dabei sein politisches Amt aufs Spiel setzt, dann steigert das die Achtung eher noch. Der letzte Zocker unter Deutschlands Politikern war Gerhard Schröder. 2001 stellte er die Vertrauensfrage für den Afghanistan-Einsatz. 2005 suchte er die Neuwahl-Entscheidung. Beim ersten Mal ging's gut, beim zweiten Mal fehlte nicht viel.

So gesehen kann man Giorgos Papandreou - übrigens auch ein Sozialdemokrat - den Respekt dafür nicht absprechen, dass er nun eine Volksabstimmung über das Rettungspaket für Griechenland anstrebt. Der Ministerpräsident will die Griechen offenbar zwingen, sich für den harten Kurs der Sanierung zu entscheiden, indem er sie vor die Wahl stellt, anderenfalls ein wirtschaftlich noch weniger kalkulierbares, vielleicht noch katastrophaleres Schicksal zu erleiden. Im Heimatland der Demokratie macht einer ernst mit der Beteiligung des Volkes. Was sollte dagegen einzuwenden sein?

So hart es klingt: Die griechische Politik ist nicht mehr Sache der Griechen allein. Das ist der entscheidende Unterschied. Von Griechenlands Schicksal hängen die 16 anderen Staaten der Euro-Zone ab. Und wenn es stimmt, dass am Euro auch die Zukunft der Europäischen Union hängt, steht mithin das Projekt als Ganzes auf dem Spiel. Der zweigeteilte Gipfel von Brüssel in der vergangenen Woche war Ausdruck der Verantwortung, die Europa nun für Griechenland zu übernehmen bereit ist. Aber was ist umgekehrt mit der Verantwortung Griechenlands für Europa?

Das Ergebnis von Brüssel mag Fehler haben. Aber es ist ein Ergebnis, das Griechenland entlastet. Und genauso hat es Papandreou selbst ja auch nach der nächtlichen Verhandlungsschlacht in der belgischen Hauptstadt bezeichnet. Dieses Ergebnis gab keine Sicherheit, dass die Schuldenkrise gelöst werden kann, aber es sorgte zumindest für eine leichte Beruhigung, um wieder Zeit zu gewinnen.

Plan A, Plan B, Plan C

Papandreou aber hat Europa mit seinem Alleingang in Richtung Volksabstimmung nun wieder in die Unsicherheit jener Tage vor dem EU-Gipfel zurückgeworfen. Schlimmer noch: Während man in den vergangenen Wochen noch handeln konnte, droht nun der völlige Stillstand. Denn welche weiteren Schritte können zugunsten Griechenlands und des Euro unternommen werden, wenn man über Wochen, vielleicht Monate hin gar nicht weiß, wie lange Griechenland noch zum Euro gehört?

Ein Ausweg ist schwer erkennbar: Zieht Papandreou jetzt noch einmal zurück, desavouiert er sich selbst und potenziert vermutlich nur den Ärger auf den Straßen Athens und in seiner eigenen Regierung. Zieht er die Sache durch, müssen sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, müssen sich die Euro-Staaten und die EU als Ganzes, müssen sich die EZB und der IWF, muss sich also - schlicht gesagt - fast der ganze Rest der Welt etwas einfallen lassen, wie man die Zeit bis zur Entscheidung überbrücken will; und auch, wie man damit umgehen wird, wenn sich eine Mehrheit der Griechen gegen die Rettungspläne ausspricht. Es braucht also nicht nur einen Plan A, sondern mindestens auch einen Plan B und einen Plan C. Wenn nicht noch mehr.

Giorgos Papandreou hat harte Monate hinter sich. Dem Mut und der politischen Standfestigkeit, die er bisher gezeigt hat, kann man nur mit Hochachtung begegnen. Ja, man kann auch verstehen, dass der Ministerpräsident endlich klare Verhältnisse will, nicht zuletzt deswegen, um die destruktive Opposition in seinem Land zu disziplinieren. Es wäre deshalb nicht nur eine bittere Ironie, wenn er ausgerechnet jetzt die Vertrauensfrage im Parlament oder später die Abstimmung im Volk verlieren würde. Sie könnte auch, europaweit, recht teuer werden.

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