Griechenland widersetzt sich Spardiktat der EU:Meuterei auf der Hellas

In Griechenland sinkt die Bereitschaft, sich dem Spardiktat der Europäer zu unterwerfen. Wenn die Meuterei gegen Premier Papadimos so weitergeht, dürfte in der EU Panik ausbrechen. Niemand weiß, was passieren wird, sollte das Land die Euro-Zone verlassen - einen Notfallplan gibt es nicht. Was es aber geben müsste: Eine halbwegs ehrliche Bilanz, welche Fehler Griechenland und seinen Sanierern bislang unterlaufen sind.

Christiane Schlötzer

Der griechische Schriftsteller Vassilis Vassilikos hat sein Land in schwerer Zeit einst mit einem Schiff verglichen, das auf dem Meer dahintreibt. Damals war Griechenland eine Diktatur. Im Augenblick passt das Bild vom Boot im Sturm wieder gut. Dieses Schiff hat einen Kapitän, Premier Lukas Papadimos, der sich redlich müht, Kurs zu halten. Nur: Die Mannschaft meutert.

Greek police officers, some covered in red paint thrown by anti-austerity protesters, stand next to the parliament during clashes in Athens

Griechische Polizisten werden bei Protesten gegen die Regierung von Demonstranten mit roter Farbe attackiert. Premier Papadimos verliert zunehmend den Rückhalt im Land - nun meutert sogar sein eigenes Kabinett.

(Foto: REUTERS)

Da bekennt ein Minister aus dem Kabinett Papadimos, er habe die Sparbeschlüsse, mit denen sich sein Land nun seit eineinhalb Jahren herumschlägt, gar nicht gelesen, bevor die Regierung sie billigte. Weil er als Innenminister angeblich keine Zeit für die Lektüre hatte. Inzwischen ist der Mann Wirtschaftsminister, demnächst will er Parteichef der Sozialisten werden. Auch Ex-Premier Kostas Simitis, der Griechenland den Weg in den Euro wies und längst das Ruder abgegeben hat, kritisiert auf einmal Kurs und Kapitän. Wer soll sich da noch wundern, dass dem Premier in dieser Woche im Parlament sogar die Mehrheit seiner breiten Koalition aus Sozialisten und Konservativen die Gefolgschaft verweigert hat, als das x-te Spargesetz anstand.

Wenn die Meuterei so weitergeht, wird Angela Merkel und Nicolas Sarkozy bald ein handlungsfähiger Partner in Athen fehlen. Spätestens dann dürfte in Berlin, Paris und Brüssel Panik ausbrechen. Stimmen würden lauter, die jetzt noch flüstern: Wenn die Griechen sich nicht selbst helfen wollen, warum sollen wir es tun? Auch in Athen gibt es diese Parole, nach dem Motto: lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Lieber keine Kredite mehr, die das Land doch nie zurückzahlen kann, und auch ein Ende der Spardiktate. Das Problem ist nur: Niemand weiß, was passieren würde, wenn Griechenland tatsächlich die Euro-Zone verlässt. Es gibt dafür kein Beispiel, keinen Notfallplan, keine Rettungsboote, auf die Verlass wäre.

Bilanz der Fehler

Was es aber längst geben müsste, ist eine halbwegs ehrliche Bilanz der Fehler, die der Regierung in Athen und den internationalen Akteuren der Griechenland-Sanierung bislang unterlaufen sind. So war die Rettungsweste von Anfang an zu eng geschnitten, die Vorgabe für Athen zu einseitig aufs Sparen fixiert. Das hat die Wirtschaft stranguliert. Privatisierungserlöse wurden als Überlebenshilfe verordnet, als schon klar war, dass hellenische Staatsbetriebe allenfalls noch für Schleuderpreise weggehen. Die griechische Neigung, Sündenböcke für die eigene Misere zu suchen, tat ihr Übriges. Sie wurde verstärkt durch eine politische Elite, die nicht gewillt ist, die Fehler in der eigenen Vergangenheit zu suchen.

Zur Gewissenserforschung und zur Bestrafung der größten Geldverschwender aber hätte auch Europa die Politiker in Athen längst drängen sollen. Das hätte die Akzeptanz des rigiden Reformprogramms gewiss erhöht. Nun ist klar, der Schuldenschnitt wird, wenn er denn gelingt, nicht zur Sanierung reichen - weil die Vorgaben nicht mehr stimmen. Was bleibt, sind Scherben.

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