Griechenland:Tsipras in der Defensive

Alexis Tsipras, Vangelis Meimarakis

Alexis Tsipras' Herausforderer Evangelos Meimarakis (li.) gilt als trocken. Doch seine Partei hat aufgeholt.

(Foto: Thanassis Stavrakis/AP)

Im TV-Duell wirkt der Syriza-Chef wenig dynamisch. Er muss sich vor allem rechtfertigen.

Von Mike Szymanski, Athen

Die Wortbrecher-Frage als Erstes, zum Aufwärmen quasi. Welche sonst? Also: Steuern senken, Renten anheben, Sparpolitik beenden - dies alles hatten Ex-Premier Alexis Tsipras und sein Linksbündnis Syriza versprochen, als sie im Januar in Griechenland an die Macht kamen. Nichts von dem konnten sie umsetzen. Die Journalistin fragt: "Warum sollten wir Sie wiederwählen?"

Tsipras hat Übung mit dieser Frage, kaum eine dürfte er häufiger hören. "Wir haben gekämpft", sagt er. Nicht so wie die Vorgänger, die hier mit am Tisch säßen und die nicht wirklich versucht hätten, den Kreditgebern die Stirn zu bieten. Was rausgekommen sei - neue Sparpolitik im Gegenzug für Rettungsmilliarden - mache ihn nicht glücklich. Aber: "Wir werden darum kämpfen, in der Zukunft unsere Versprechen einzulösen." Im Moment kämpft Tsipras um seine politische Zukunft. Am Sonntag in einer Woche wählen die Griechen ein neues Parlament. Am Mittwochabend treffen die Parteichefs zum ersten von zwei Fernsehduellen aufeinander. Drei Stunden Fragen und Antworten.

Tsipras hat die Neuwahl herbeigezwungen. Der 41-Jährige wollte die Saboteure vom radikal-linken Flügel in der eigenen Partei loswerden, die Drachme-Fraktion. Mehr als 30 Syriza-Parlamentarier hätten das Land lieber aus dem Euro geführt, anstatt das neue Abkommen mit den Kreditgebern zu unterzeichnen. Deshalb verlor die Regierung die Mehrheit im Parlament. Der Streit führte zur Spaltung von Syriza und überhaupt erst dazu, dass der Mann, der beim Fernsehduell am Mittwochabend direkt neben Tsipras sitzt, den Titel Herausforderer verdient: Evangelos Meimarakis, 61 Jahre.

Er gehört seit mehr als 40 Jahren der konservativen Nea Dimokratia (ND) an. Meimarakis ist immer für einen flotten Spruch zu haben, das ist sein Markenzeichen. Seit einem Vierteljahrhundert ist er Abgeordneter. Minister war er auch schon. Kein Charismatiker, keine Führungspersönlichkeit, hieß es über ihn in der eigenen Partei. Er sollte die ND auch nur vorübergehend führen. Als möglichen Premier hatte diesen Mann niemand auf dem Schirm. Die Umfragen sehen Syriza und Nea Dimokratia im Moment aber gleichauf.

Der konservative Herausforderer bietet dem Syriza-Mann eine große Koalition an

Meimarakis greift Tsipras an. Den Schuldenberg habe er noch einmal um 25 Milliarden Euro erhöht. So viel koste es nun, die Banken wieder flottzumachen, nachdem Syriza das Land bei den Verhandlungen an den Rand des Kollaps geführt habe. Tsipras erinnert ihn daran, dass es dem Land niemals so schlecht ginge, wenn die Vorgängerregierungen es mit ihrem "Klientelismus" nicht in den Ruin getrieben hätten. Anders als Tsipras gibt sich Meimarakis nicht nachtragend: Er wirbt für eine große Koalition nach der Wahl, um die unbequemen Sparbeschlüsse gemeinsam umzusetzen. Tsipras könne morgen schon vorbeikommen, dann werde man über Details reden, scherzte er. Tsipras will nicht. Ans Fernsehpublikum gerichtet sagt er, sie sollten endgültig Schluss mit dem alten System machen.

Der Ex-Premier wirkt für seine Verhältnisse bei der Fernsehdebatte defensiv. Einmal droht er die Beherrschung zu verlieren. Da konfrontiert ihn eine Journalistin mit Aussagen seiner früheren Migrationsministerin, wonach die Ferieninseln an den vielen Flüchtlingen ja verdienten und sich auch niemand daran störe, wenn Migranten morgens in der Sonne säßen. Diese Worte stehen exemplarisch für die Überforderung der griechischen Behörden in der Flüchtlingskrise. Tsipras rechtfertigt seine Politik. Am Ende bleibt ihm nur die Bitte, das Thema nicht populistisch auszuschlachten.

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