Griechenland:Syrizas politische Schizophrenie

Griechenland: Griechenland: Finanzminister Euklid Tsakalotos und Premier Alexis Tsipras am 15. Juli im Parlament in Athen

Griechenland: Finanzminister Euklid Tsakalotos und Premier Alexis Tsipras am 15. Juli im Parlament in Athen

(Foto: AFP)

Griechenlands Regierung verstrickt sich in Widersprüche. Premier Tsipras müsste die Abweichler nun gnadenlos bestrafen - doch er setzt weiter auf seinen einzigartigen Vorteil.

Kommentar von Stefan Kornelius

Was also ist Alexis Tsipras? Ein Virtuose der Macht - oder nur ein Gaukler, dem das Glück nun zwischen den Fingern zerrinnt? Die erste Abstimmung zur Umsetzung des Rettungspakets lässt alle möglichen Deutungen zu. Nur eine Erkenntnis hat Bestand: Noch scheinen die Syriza-Abgeordneten und besonders ihre Amtsträger so glücklich zu sein mit ihrem Regierungsmandat und den Posten, dass sie sich ungestraft die größte politische Schizophrenie leisten können. Oder, wie es die Anführer des linken Flügel, Panagiotis Lafazanis, und des rechtspopulistischen Koalitionspartners, Panos Kammenos, ausdrückten: Wir sind gegen das Reformpaket, aber wir unterstützen die Regierung.

Das ist natürlich ein Widerspruch, den selbst der größte Traumtänzer der griechischen Politik nicht lange aushalten wird. Den ersten, zaghaften Rücktritten werden also weitere folgen. Wenn Tsipras konsequent wäre, müsste er die widerspenstigen Minister entlassen und eine Amtsenthebung der Parlamentspräsidentin anstrengen, die mit Methoden aus dem Studentenplenum trickst und hintergeht.

Tsipras ist Athens stärkste politische Figur

Tsipras hangelt sich also bereits von Tag zu Tag. Er mag mit Rücktritt drohen oder sich selbst immer wieder konterkarieren, wenn er etwa die Vereinbarung mit den Gläubigern als unzumutbar bezeichnet. Er mag achselzuckend die 38 Syriza-Abweichler hinnehmen oder Spaltungsdiskussionen in seiner Partei ignorieren. Noch trägt ihn sein Nimbus, noch hält er einen einzigartigen Vorteil: Er ist die einzige politische Figur in Athen, die sowohl das Nein-Lager wie auch das Ja-Lager hinter sich scharen kann. Das macht ihn stark. Aber: Wie lange wird er selbst mit diesem Widerspruch leben können?

In sechs Monaten Amtszeit hat Tsipras vor allem eine Fähigkeit bewiesen: Er kann warten, er lässt andere zappeln. So wird er auch mit den politischen Lagern in Athen munter sein Spiel spielen, vielleicht hier und da sein Kabinett umbauen, vielleicht auch nicht. Vermutlich weiß er, dass sein Schicksal und das seines Landes allemal nicht im Parlament entschieden werden. Die Gläubiger müssen eine Idee vorlegen, wie sie die griechische Volkswirtschaft wieder in Gang setzen wollen. Mit der Vereinbarung von Brüssel hat Tsipras einen Teil der Verantwortung ausgelagert. Seinen Pflichten kommt er gerade im Parlament nach, wenn auch unter heftigem Getöse. Die eigentliche Last liegt bei den Gläubigern, die nun den Geldhahn schnellstmöglich öffnen müssen.

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