Griechenland in der Schuldenkrise:"Das wird sich böse rächen"

Die griechischen Regierungsparteien haben nach der Abstimmung zum Sparpaket 43 Abweichler aus ihren Fraktionen ausgeschlossen, auf einen Schlag. Das sei "ein desaströser Akt politischer Unkultur" im Mutterland der Demokratie, finden deutsche Abgeordnete - und sprechen von Einschüchterung.

Thorsten Denkler, Berlin

Wie schnell das gehen kann, aus der eigenen Fraktion und Partei ausgeschlossen zu werden, das hat die ehemalige griechische Außenministerin Dora Bakoyanni am 6. Mai 2010 erfahren. Sie votierte damals als Abgeordnete der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND) für das Sparpaket der regierenden sozialistischen Pasok. Noch am gleichen Tag war sie ihre Mitgliedschaft in Fraktion und Partei los.

Greek Parliament will decide on the new bailout deal for Greece

Die Regierungsparteien haben alle ihre Abgeordneten aus den Fraktionen geworfen, die im Parlament gegen das Sparpaket gestimmt haben.

(Foto: dpa)

Was sich aber nach der jetzigen Abstimmung zum jüngsten Sparpaket der inzwischen gemeinsam regierenden zwei Parteien zugetragen hat, dürfte ein neuer Tiefpunkt der politischen Kultur in Griechenland sein.

43 Abgeordnete von Pasok und ND stimmten am Sonntag gegen das Sparvorhaben. Alle 43 waren danach fraktionslos. Die Sozialisten verbannten 22 ihrer Abgeordneten, die Konservativen 21. Die Mehrheit der Koalitionspartner im 300 Sitze zählenden Parlament schrumpfte damit von 236 auf 193. Die beiden Parteien haben damit zusammen fast ein Viertel ihrer Abgeordneten kurzerhand vor die Tür gesetzt.

Das Mutterland der Demokratie, es zeigt sich gerade wieder einmal nicht von seiner schönsten Seite.

Mitglieder der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe im Bundestag sind fassungslos. Das sei eine "den blanken Nerven geschuldete Kurzschlussaktion, ein desaströser Akt politischer Unkultur in der Wiege der Demokratie", empört sich FDP-Mann Erwin Lotter. Diese "drakonische Maßnahme" solle erkennbar die anderen Abgeordneten einschüchtern.

Dabei war absehbar, dass die Verabschiedung des neuen Sparpaketes nicht ohne Widerstand über die Bühne gehen würde. Hunderttausende demonstrieren gegen den Sparkurs der Regierung, weil unter anderem jede fünfte Stelle im öffentlichen Dienst gestrichen und der Mindestlohn um ein Fünftel gekürzt werden soll. Die Maßnahmen sollen die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) dazu bewegen, eine weitere dringend benötigte Kreditlinie in Höhe von 130 Milliarden Euro bereitzustellen.

Die SPD-Abgeordnete Elke Ferner hat Verständnis für das Abstimmungsverhalten ihrer griechischen Kollegen. Im Grund hätten die Parlamentarier gar keine andere Wahl, als zuzustimmen, wenn sie "nicht die Folgen einer ungeordneten Staatsinsolvenz" verantworten wollten. Aber sie sähen eben auch, dass sie trotz "sparen, sparen, sparen auf keinen grünen Zweig kommen". Eine solche Situation, so Ferner, sei eine "klassische Gewissensentscheidung".

"Innere Angelegenheit der dortigen Regierungsparteien"

Der CDU-Angeordnete Michael Hennrich hält den massenhaften Fraktionsausschluss zwar für eine "innere Angelegenheit der dortigen Regierungsparteien". Die Zweifel der Kollegen könne er jedoch verstehen. Die habe er auch. Die Griechen hätten es jetzt mit einer "neuen Dimension" der politischen Auseinandersetzung zu tun.

Offen ist, welche Folgen der Massenausschluss für die Wahl im März haben wird. 288 der 300 Abgeordneten im Parlament sind direkt gewählt. Möglicherweise finden sich die Ausgeschlossenen ja zu einer neuen Partei zusammen. So jedenfalls hat es Dora Bakoyanni gemacht. Sie gründete ein halbes Jahr nach ihrem Rauswurf die Demokratische Allianz, der sich allein im Parlament bereits fünf weitere ehemalige ND-Abgeordnete angeschlossen haben.

Eine Partei aber, die sich entschieden gegen den Sparkurs richtet, hätte womöglich beste Chancen, das bestehende Parteiengefüge heftig durcheinanderzuwirbeln. FDP-Mann Lotter ist sich sicher, die Ausgeschlossenen würden "unnötig zu Märtyrern" gemacht. Das werde sich bei den Parlamentswahlen im März "böse rächen".

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