Griechenland-Hilfspakete:Reizthema Schuldenschnitt

A hooded youth throws a petrol bomb at riot police standing guard at the parliament premises, during a demonstration of school students against education reforms, in Athens

Protest mit Brandbomben: Die Wut einiger Griechen über die Sparprogramme ist weiter groß.

(Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Der IWF zögert, sich am dritten Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen. Sehr zum Ärger von Bundesfinanzminister Schäuble - denn dem droht somit ein massives innenpolitisches Problem.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Wolfgang Schäuble bleibt hart: Für ihn gibt es in Sachen Griechenland nichts zu diskutieren. "Wir haben dazu im Mai alles gesagt", erklärte der Bundesfinanzminister beim Treffen der Euro-Gruppe am Montag in Brüssel. Bereits im Frühjahr sei verabredet worden, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich nach der zweiten Runde der Reformüberprüfungen am Griechenland-Programm beteilige. Läuft alles nach Plan, könnte die Überprüfung noch im Dezember abgeschlossen werden. Doch von einer Vereinbarung, dass der Fonds dann am laufenden Kreditprogramm mitmache, will man beim IWF in Washington nichts wissen. Im Gegenteil: Der Fonds stellt seinerseits Bedingungen - und die gefallen der Bundesregierung überhaupt nicht.

"Was Schäuble fordert, geht einfach nicht", sagt ein Diplomat in Brüssel

Wie es aussieht, gewinnt der Streit zwischen Berlin und dem IWF nun wieder deutlich an Schärfe. Der Bundesfinanzminister gerät dabei zunehmend unter Druck. Denn keiner seiner europäischen Kollegen ist so auf eine Beteiligung des IWF angewiesen wie er. Der Bundestag hatte sie einst zur Bedingung für seine Zustimmung zum dritten Griechenland-Programm gemacht. Und Schäuble hat dies stets glaubhaft versichert. Was aber, wenn der IWF sich nun doch nicht am laufenden Programm beteiligt? Dann hätte Schäuble ein gewaltiges innenpolitisches Problem. Es gibt Unionsabgeordnete, die dann den Beschluss zum dritten Paket für Griechenland für nichtig erklären und erneut darüber abstimmen lassen wollen.

Dabei ist die Position des Währungsfonds seit Langem eindeutig: Der IWF darf sich nach seinen eigenen Regeln nur an einem Kreditprogramm beteiligen, wenn das betroffene Land seine Staatsschuld wieder tragfähig machen kann, wenn also die begründete Aussicht besteht, dass es sich wieder selbst am Kapitalmarkt finanzieren kann. Angesichts der griechischen Staatsschulden in Höhe von etwa 315 Milliarden Euro - das sind fast 180 Prozent der Wirtschaftsleistung - kann man daran zu Recht zweifeln.

Kein Wunder also, dass der IWF weitere Schuldenmaßnahmen von den Europäern fordert. Nun ist es nicht so, dass noch keinerlei solcher Schritte gemacht wurden. Die Kreditlaufzeiten und die Fälligkeiten wurden verlängert, die Zinsen liegen nahe null. Aber das alles reicht dem IWF nicht. Wenn der Fonds also dabei bleiben soll, dürfte kein Weg daran vorbeiführen: Die Europäer müssen mittelfristig einen weiteren Schuldenerlass gewähren, der im Grunde einem Schuldenschnitt zulasten ihrer Haushalte gleichkommt - egal, wie man ihn dann auch bezeichnen mag.

Schäuble nannte diese "Spekulationen" am Montag "völlig sinnlos". Über weitere schuldenerleichternde Maßnahmen werde erst nach Abschluss des laufenden Programms diskutiert. Also 2018, Hauptsache nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Schäuble will das Reizthema Schuldenerlass auf keinen Fall hochkochen lassen. Doch in der Euro-Gruppe stößt er damit auf Widerstand. Es mehren sich die Stimmen, die darauf dringen, schon vor dem Ende des laufenden Programms weitere konkrete Schritte für Schuldenerleichterungen zu beschließen. So könnten die Europäer den IWF überzeugen, an Bord zu kommen. "Was Schäuble fordert, geht einfach nicht", sagte ein EU-Diplomat, "er will den IWF dabei haben, aber dessen Bedingungen nicht akzeptieren."

Ökonomisch wäre es für die Europäer kein Problem, ohne den Fonds aus Washington auszukommen; auch die Expertise haben sie sich in den vergangen Jahren erworben. Allen voran die griechische Regierung hätte nichts dagegen: Athen müsste für IWF-Kredite weitaus höhere Zinsen bezahlen als für jene des Euro-Rettungsfonds ESM. Seit 2010 wird das hoch verschuldete Land mit Krediten vor der Pleite bewahrt. Die Regierung in Athen hatte zuletzt im Sommer 2015 im Gegenzug für ein Kreditpaket von bis zu 86 Milliarden Euro umfangreiche Reformen zugesagt. Die Kreditraten werden stets in Schritten für erreichte Reformen ausgezahlt. Der IWF war bei den bisherigen Überprüfungen dabei - wenn auch nicht finanziell.

Eurogruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem erklärte, dass der Fonds beim Treffen am Montag seine Absicht bekräftigt habe, bis Ende des Jahres über eine Beteiligung am dritten Griechenland-Programm zu entscheiden. "Es ist wichtig, so viel Fortschritt wie möglich zu machen, damit der IWF Klarheit bekommt", sagte Dijsselbloem. Es sei jedoch unmöglich, schon jetzt vorherzusehen, welche Schuldenerleichterungen 2018 nötig seien. Dies alles werde man bei der nächsten Sitzung Anfang Dezember besprechen. Mit dem IWF.

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