Griechenland:Euro-Schicksale

Uneinsichtigkeit gegenüber den Rettungsangeboten der EU-Kollegen hat in der Finanzkrise der vergangenen Jahre schon drei Regierungschefs das Amt gekostet. Niemand weiß, ob Alexis Tsipras sich daran erinnert.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Silvio Berlusconi in Italien, Giorgos Papandreou in Griechenland, José Luis Rodríguez Zapatero in Spanien. Die Namen stehen für drei von zahlreichen Regierungschefs, die in sieben Jahren europäischer Staatsschuldenkrise ihre Posten räumen mussten. Die meisten wurden bei regulären Parlamentswahlen abgewählt, andere zum Rücktritt gezwungen. Der Italiener Berlusconi und der Grieche Papandreou stürzten 2011 darüber, dass sie mit ihrer Politik die Währungsunion insgesamt in solche Bedrängnis brachten, dass deren andere Staats- und Regierungschefs - vorsichtig gesagt - im entscheidenden Augenblick nichts unternahmen, um die Kollegen zu halten, sondern Nachfolgekandidaten zu etablieren halfen. In eine ähnliche Lage hat sich der griechische Premier Alexis Tsipras gebracht. Sollte er am kommenden Sonntag das Referendum verlieren, wird er kaum auf politische Unterstützung der EU-Kollegen hoffen dürfen.

Im Jahr 2011 zeigten die Chefs der Euro-Zone erstmals, wie entschlossen sie sind, die Währungsunion zu verteidigen. Damals hatte die Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone einen Höhepunkt erreicht. Griechenland war längst das nur schwer zu befriedende Zentrum der Euro-Krise. Anders als heute wetteten Spekulanten auch darauf, dass vor allem große Länder von der Krise angesteckt werden könnten. Besonders um Italien und Spanien waren die Sorgen groß.

Als erster gab der Spanier Zapatero auf. Er wollte kein Rettungsprogramm für Banken

So groß, dass das politische Führungspersonal in Europa befand, Ruhe in den betroffenen Ländern könne nur einkehren, wenn sie eine neue Führung bekommen. Mit ungewöhnlichen Maßnahmen versuchten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs damaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der seinerzeitige Präsident der Europäischen Zentralbank EZB, Jean-Claude Trichet, Italien und Spanien aus dem Visier der Spekulanten zu bringen. Trichet, der per Statut zur politischen Unabhängigkeit verpflichtete Notenbankchef, schrieb vertrauliche Briefe an Berlusconi, um ihn zu Reformen und Sparmaßnahmen zu bewegen. Merkel und Sarkozy nahmen den Italiener beiseite, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Das taten sie auch mit dem Spanier Zapatero und erklärten, sein Land solle am besten ein Rettungsprogramm für seine Banken beantragen. Unermüdlich versuchten sie zugleich, mit Papandreou ein Rettungspaket für Griechenland zu schnüren.

Zapatero gab als Erster auf. Er blieb bei seinem Nein zu einem Bankenprogramm und nahm sein politisches Ende in Kauf. Statt ein Rettungspaket zu unterschreiben, kündigte er Mitte 2011 vorgezogene Neuwahlen an und zog sich aus der Politik zurück. Die Wahl gewann der Konservative Manuel Rajoy. Berlusconi blieb uneinsichtig. Die EU forderte massive Sozialkürzungen, wie das Rentenalter zu erhöhen, damit Italien sein Defizit verringere - und aus dem Visier der Märkte komme. Berlusconi erklärte öffentlich, er könne keine Krise sehen in Italien, die Restaurants seien doch voll. Im Maße, wie Berlusconi sich beratungsresistent zeigte, stiegen die Zinsen für italienische Staatsanleihen. Die EZB unter Trichet beschloss schließlich, keine italienischen Anleihen mehr aufzukaufen - was sie bis Oktober 2011 tat, um die Zinsen zu drücken. Ende Oktober stiegen sie auf 6,5 Prozent - und lagen damit nahe an der Grenze, an der Griechenland und Portugal Rettungskredite hatten beantragen müssen. Nach zwei Krisengipfeln in Brüssel und Cannes bei weiter steigenden Zinsen trat Berlusconi schließlich zurück. Die EU habe ihn gestürzt, gab er wütend zu Protokoll. Der frühere EU-Kommissar und parteilose Wirtschaftsprofessor Mario Monti übernahm praktisch planmäßig die Regierungsgeschäfte - und beruhigte mit seiner Kompetenz die Märkte.

Auf dem Gipfel Anfang November 2011 in Cannes, der eigentlich ein G-20-Treffen war, aber zu einem Euro-Krisentreffen geriet, entschied sich auch das politische Schicksal Papandreous. Der damalige griechische Premier hatte unmittelbar nach einem nervenaufreibenden EU-Gipfel Ende Oktober Entsetzen unter seinen EU-Kollegen ausgelöst, als er überraschend ankündigte, er wolle ein Referendum abhalten über das eben mühevoll geschnürte Rettungspaket.

Sarkozy, damals G-20-Vorsitzender, ließ Papandreou sofort einfliegen. Gemeinsam mit den anderen europäischen G-20-Mitgliedern diskutierte er die Frage des Referendums. Alle waren wütend. Zum Referendum kam es nicht mehr. Zeugen berichten, dass der damalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso den griechischen Finanzminister Evangelos Venizelos beiseitenahm - und ihm erklärte, die Volksabstimmung dürfe nicht stattfinden. Papandreou stürzte unmittelbar nach der Rückkehr nach Athen - über den eigenen Parteifreund.

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