Griechenland:Ein Land, zwei Krisen

Greek Labour Ministry George Katrougalos in Brussels

Der griechische Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos, zuständig für die Rentenreform, spricht von "gewaltigen Aufgaben", die sein Land derzeit schultern muss.

(Foto: Laurent Dubrule/dpa)

Die Regierung in Athen hofft wegen der Flüchtlinge auf die Milde der EU. Obwohl sich die Umsetzung der umstrittenen Rentenreform in Griechenland weiter verzögert, demonstrieren Europas Finanzminister Besonnenheit.

Von Alexander Mühlauer und Mike Szymanski, Brüssel/Athen

Nach außen hin bleiben sie ganz gelassen. Obwohl sich die Umsetzung der umstrittenen Rentenreform in Griechenland weiter verzögert, demonstrieren Europas Finanzminister Besonnenheit. "Ich bin optimistisch, dass der Prozess weitergeht", sagt Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem beim Treffen mit seinen Kollegen am Donnerstag in Brüssel. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici lobt die konstruktive Zusammenarbeit mit Athen. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meint: "Meine Gemütslage ist vor jeder Euro-Gruppe immer konzentriert und entspannt zugleich."

Die Tonlage gegenüber Griechenland hat sich verändert. Auch der in Athen für die Rentenreform zuständige Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos beschreibt die Lage sachlich: "Wir müssen unser Rentensystem reformieren. Das ist im Interesse der Griechen. Gleichzeitig müssen wir unseren Teil zur Lösung der Flüchtlingskrise beitragen." Zwei gewaltige Aufgaben, die das Land in einer "komplexen, schwierigen Situation" treffen, sagt der Minister im Gespräch mit der SZ.

Es liegt auf der Hand, die eine Krise nicht ohne die andere zu betrachten. Aber keiner der Spitzenpolitiker, weder in Brüssel noch in Athen, mag das so deutlich aussprechen. Athener Regierungskreise und Brüsseler EU-Diplomaten bestätigen jedoch, dass neuerdings das Reformprogramm und die Lösung der Flüchtlingskrise miteinander verknüpft würden. Die Griechen könnten demnach mehr Zeit bei der Rentenreform bekommen. Deutschland hält sich gerade mit Kritik an den Plänen, die immerhin höhere Sozialversicherungsbeiträge vorsehen und die Wirtschaft schwächen dürften, einigermaßen zurück. Auf einmal zeigen die Kreditgeber so etwas wie Verständnis.

"Wenn wir nur mit Europa verhandeln müssten, dann wären wir uns einig", sagt ein mit der Sache befasster Politiker in Griechenland. Das Problem liege beim Internationalen Währungsfonds. Der IWF will die Rentenreform nicht separat verhandeln, sondern dies im Paket mit Steuer- und anderen Finanzreformen erledigen. Das aber, so befürchten die Griechen, könnte die erste Bewertung der Reformbemühungen - die Voraussetzung für weiteres Geld - noch viele Wochen, wenn nicht gar Monate hinauszögern. Zeit, die das Land nicht hat. Die Börsenkurse sind abgestürzt, weil sich Angst vor Liquiditätsproblemen breit macht und Anleger verunsichert sind. Die Massenproteste gegen die Regierung von Alexis Tsipras fallen heftiger als erwartet aus. "Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise kann Europa kein Interesse an einem schwachen Griechenland haben", heißt es in Tsipras' Mannschaft.

Nun hofft Athen, dass allen voran Berlin Druck macht, die Reformüberprüfung möglichst rasch abzuschließen. Die Griechen haben ihrerseits in der Flüchtlingskrise begonnen zu liefern. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich Athen nun bereit erklärt, unter Koordination der Nato mit der türkischen Küstenwache den Meeresstreifen zwischen Türkei und griechischen Inseln zu kontrollieren. Lange hatte sich Athen dagegen gesperrt. So warf etwa der griechische Staatspräsident den Türken vor, mit Menschenhändlern gemeinsame Sache zu machen. Flüchtlinge, die in Griechenland ankamen, erhielten bis vor wenigen Tagen von den Behörden vor der Weiterreise ein Papier, wonach die beabsichtigten, nach Deutschland zu gehen. Berlin hat sich darüber in Athen beschwert. Jetzt ist auch dieser Satz verschwunden.

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