Griechenland:Dabei sein ist alles

Der amerikanische Geheimdienst NSA hat während der Olympischen Spiele in Athen das Mobilfunknetz angezapft. Aber auch danach wurde noch abgehört - Opfer war unter anderem der Premier.

Von Christiane Schlötzer

Jetzt twittert auch Edward Snowden, und eine der ersten Botschaften, die der amerikanische Whistleblower aus dem russischen Exil in die Welt schickte, war ein Tweet des New Yorker Astrophysikers Neil deGrasse Tyson: "Surveillance never sleeps." Die Überwachung schläft nie. Wie wahr. Dies belegt - just zum Twitter-Einstieg Snowdens - eine gemeinsame Recherche der griechischen Zeitung Kathimerini und des Enthüllungsportals The Intercept. Sie zeichnet nach, welch "aktive Rolle" der US-Geheimdienst NSA bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 spielte - und bei allen Olympischen Spielen seit denen von Los Angeles im Jahr 1984.

In Athen aber ging das Engagement offenbar deutlich darüber hinaus. So wurde das Mobilfunknetz mit einer Spezialsoftware nicht nur vor und während der Spiele angezapft und abgehört, und dies mit Billigung der damaligen Regierungen in Athen, sondern auch danach. Vereinbart war, die digitalen Wanzen nach den Spielen wieder abzuschalten. Dies geschah erst auch. Dann aber wurde die Software erneut in Betrieb gesetzt. Allerdings diente sie nun nicht mehr dazu, potenzielle Olympia-Attentäter aufzuspüren und Terroristen ausfindig zu machen. Abgehört wurden nun: der damalige konservative Ministerpräsident Kostas Karamanlis und auch dessen Ehefrau, die Athener Bürgermeisterin und noch ein paar andere griechische Politiker.

Diese Abhöraktion war im März 2005 dann aufgeflogen, zufällig, weil es eine technische Panne gab. Sie gilt bis heute als "griechisches Watergate", der Verdacht fiel schon damals auf die USA. Doch erst jetzt wird klar, wie stark die NSA im Umfeld der Spiele engagiert war. Die Recherchen stützen sich auch auf bislang unveröffentlichte Snowden-Papiere. Sie ziehen zudem eine Verbindung zwischen dem Tod eines führenden Mitarbeiters von Vodafone in Griechenland, Kostas Tsalikidis, der in seiner Wohnung am 9. März 2005 erhängt aufgefunden wurde. Die Familie des Software-Spezialisten zweifelt bis heute daran, dass Tsalikidis Selbstmord begangen hat, zumal der 39-Jährige zuvor seiner Verlobten in einer Textmessage mitgeteilt hatte, er müsse seine Firma verlassen - und dies sei für ihn "eine Frage von Leben und Tod". Belegen kann die Zeitung eine direkte Verbindung zwischen dem Tod des jungen Mannes und den NSA-Aktivitäten nicht.

Zur Frage, warum die NSA die Spionageeinrichtungen nach den Olympischen Spielen in Funktion hielt, wird ein früherer ranghoher NSA-Mitarbeiter zitiert: "Wenn Du einmal Zugriff hast, hast Du Zugriff." Kathimerini warnt auch: Künftige Olympiastädte sollten wissen, was auf sie zukommt.

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