Griechenland:Athen pocht auf Abmachung

Die Kreditgeber fordern weitere Sparmaßnahmen von Griechenland. Premier Tsipras hingegen betont, dass die Ziele bereits erreicht seien - und lässt die Finanzminister sitzen.

Von Alexander Mühlauer und Mike Szymanski, Brüssel/Istanbul

Eigentlich hätte an diesem Donnerstag eine Sondersitzung der Euro-Finanzminister stattfinden sollen. Nach Monaten des Streits hätte man sich endlich einigen können auf einen Abschluss der Reform-Überprüfung in Griechenland. Und dann hätte Athen den nächsten Kredit aus dem dritten Hilfsprogramm ausgezahlt bekommen. Doch daraus wird nichts. Die Gespräche zwischen der griechischen Regierung und den internationalen Kreditgebern sind blockiert. Mal wieder.

In dieser Situation entschloss sich Athens Premier Alexis Tsipras, den Konflikt eskalieren zu lassen. Er wandte sich an EU-Ratspräsident Donald Tusk und bat ihn, einen Euro-Sondergipfel einzuberufen. Auf höchster politischer Ebene wollte Tspiras sicherstellen, dass die Staats- und Regierungschefs die Bedingungen des im Juli 2015 vereinbarten Hilfspakets für sein Land respektieren würden. So teilte es sein Büro mit. Doch auch daraus wird nichts. Tusk erteilte Tsipras eine Absage: "Ich bin überzeugt, dass es für die Finanzminister noch Arbeit zu erledigen gibt." Er mahnte ein baldiges Treffen der Euro-Gruppe an, "in Tagen, nicht Wochen". Erst nachdem die Euro-Finanzminister die Reform- und Sparauflagen für Griechenland gebilligt haben, können weitere Milliardenhilfen fließen und Gespräche über mögliche Schuldenerleichterungen beginnen.

Die Geldgeber fordern von der Regierung, umfassender Steuern einzutreiben

In einem Telefonat mit Tusk äußerte Tsipras nach Angaben seines Büros sein "Missfallen" über die zusätzlichen Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die ursprünglich aus Berlin stammen. Der IWF und die Euro-Finanzminister hatten bei ihrem Treffen Ende vergangener Woche in Amsterdam zusätzliche Notspar-Maßnahmen verlangt, falls die griechische Regierung die vereinbarten Haushaltsziele für 2018 zu verfehlen droht. Tsipras wollte deshalb einen Sondergipfel einberufen lassen, um neue Unsicherheiten in der Euro-Zone zu verhindern, wie sein Büro mitteilte.

Tusk ging auf die Forderung nicht ein und stimmte sich nach eigenen Angaben mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schloss in Berlin einen baldigen Sondergipfel zum Thema Griechenland ebenfalls aus. Die Probleme sollten in der Euro-Gruppe gelöst werden.

Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass der IWF den griechischen Vorschlag nicht akzeptieren will, im Notfall pauschal Kürzungen im Staatshaushalt vorzunehmen. Der IWF forderte stattdessen von der Regierung in Athen schon in der Vergangenheit, mehr für die Einnahmenseite zu tun und umfassender Steuern einzutreiben. Hinzu kommt: Die Vorstellungen über Schuldenerleichterungen für Griechenland gehen noch immer auseinander, vor allem zwischen dem IWF und der Bundesregierung. Schäuble hält Erleichterungen in den kommenden Jahren für unnötig, will aber zugleich den IWF bei dem bis zu 86 Milliarden Euro hohen, dritten Hilfsprogramm an Bord halten. Der IWF wiederum macht seine Beteiligung von Zugeständnissen der Euro-Partner in der Schuldenfrage abhängig, weil er die Verbindlichkeiten Griechenlands für nicht tragbar hält.

Griechenland: Griechenland soll nach vielen Jahren finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen.

Griechenland soll nach vielen Jahren finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen.

(Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)

Einer, der die Reformen in Griechenland umsetzen muss, ist Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos. Er arbeitet schon seit Monaten an einer Rentenreform, die die Geldgeber den Griechen zur Auflage gemacht haben. Das Gesetz liegt in den letzten Zügen, es wird den Bürgern nach elf Kürzungsrunden bei der Rente ohnehin schwer zu vermitteln sein. Und jetzt auch noch zusätzliche Präventiv-Milliarden einsparen? Dazu ist er nicht bereit: "Wir wollen einen Sondergipfel, aber nicht um einen besseren Deal zu verhandeln. Wir wollen den Gipfel, weil wir zum vereinbarten Hilfsprogramm vom Juli stehen." Die Athener Logik ist klar: Wer jetzt mehr verlangt, muss halt neu verhandeln. Daher ein Sondergipfel. "Wir haben unsere Ziele erreicht und erwarten nun auch von unseren europäischen Partnern, dass sie ihre Teile der Vereinbarung einlösen. Verträge sind einzuhalten", sagte Katrougalos.

Die Regierung in Athen sieht sich außerdem in einer viel stärkeren Position als im vergangenen Jahr. Man fühlt sich nicht mehr so stark isoliert. Gerade Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Schäuble haben in den vergangenen Monaten überraschend viel Verständnis für die Probleme des Landes gezeigt. Griechenland ist neben der Türkei zu einem Schlüsselland in der Flüchtlingskrise geworden, es konnte sich gar nicht der Not entziehen wie so viele andere EU-Partner, auf die Merkel sonst gerne setzt, die sie aber jetzt hängenlassen. Und neu ist auch, dass diesmal nicht die Griechen den Deal vom Juli 2015 nachverhandeln wollen, sondern die Geldgeber.

Für die Regierung in Athen ist es vor allem wichtig, dass ein Signal kommt, wie mit den erdrückenden Schulden umgegangen wird. Ein griechischer Unterhändler sagte: "Wir bestehen noch nicht auf Details. Uns reicht die politische Erklärung, dass wir mit den Verhandlungen beginnen. Wir wollen niemanden zwingen, rote Linien zu überschreiten."

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