Griechenland:Ärger, nichts als Ärger

Für die neue Regierung in Athen läuft wenig rund, nun muss sie auch noch von ihr ungeliebte Reformen umsetzen.

Von Christiane Schlötzer

Am Montagmorgen geht ein kräftiger Regen über Athen nieder, wie eine kalte Dusche. Es passt zu diesem Tag, der eigentlich auf ein Fest vorbereiten sollte: auf die Parade zum Nationalfeiertag am Mittwoch. Gefeiert wird die Befreiung von der Turkokratie, der Türkenherrschaft vor knapp 200 Jahren. Von den blauen Baldachinen, die man vor dem Parlament aufgestellt hat, tropft das Wasser. Die griechische Sonne mag sich gar nicht zeigen an dem Tag, an dem auch schon wieder politische Stürme durch Athen fegen.

Unweit des Parlaments hat Verwaltungsminister Giorgos Katrougalos sein Büro. Er muss sich seit dem Wochenende gegen den Vorwurf verteidigen, er könnte persönlich davon profitieren, wenn von der alten Regierung geschasste Beamte bald wieder eingestellt werden, wie Syriza versprochen hat. Der Grund: Katrougalos hat noch vor einer Weile entlassene Staatsdiener als Anwalt vertreten, wobei wie üblich ein Erfolgshonorar vereinbart wurde.

Die Zeitung Ta Nea kritisiert am Montag, selbst wenn der Reformminister rechtlich keinen Fehler begangen haben sollte, bestehe doch "ein Interessenskonflikt", die Sache sei also moralisch bedenklich. Ein Sprecher von Premier Alexis Tsipras will dagegen den Mann nicht allein im Regen stehen lassen und spricht von "verleumderischen Berichten". Die sollten nur dazu dienen den ersten offiziellen Besuch von Tsipras in Berlin zu vermasseln.

Der ganze Vorgang zeigt, dass auch die neue Linksregierung in Gefahr ist, sich mit den alten Krankheiten des griechischen Staates zu infizieren. Zu den Leuten, denen Katrougalos einst wie heute helfen wollte, gehören auch 41 000 Bedienstete, deren befristete Verträge vor rund zehn Jahren in feste Anstellungen überführt worden waren und über deren Qualifikation teils bis heute gestritten wird. Verantwortlich als Innenminister dafür war der konservative Politiker Prokopis Pavlopoulos. Er blähte damals den öffentlichen Dienst besonders stark auf. Nun ist er Staatspräsident - auf Wunsch und gewählt von Syriza.

Eigentlich wollte Tsipras ohne Reformliste nach Berlin reisen

Nur wenige Schritte vom Verwaltungsressort entfernt befindet sich das Außenministerium. Auch da herrscht am Montag Aufregung, weil griechische Medien melden, die Regierung habe einen Emissär nach Teheran geschickt, um dort für den Ankauf griechischer Staatsanleihen zu werben. Die konservative Opposition reagiert mit beißendem Spott. Ihr Sprecher twittert: Die Regierung sei wohl so deprimiert, dass sie bei den Iranern betteln gehe.

Eher still ist es dagegen nun seit Tagen um Finanzminister Yanis Varoufakis. Am Sonntagabend war Varoufakis noch bei einer kleinen Ministerrunde im Premiersamt dabei, die zur Vorbereitung der Berlin-Reise diente. Danach aber gab es keine Erklärungen. Wie dramatisch die Finanzlage für Athen aber ist, verrät ein Brief, den Tsipras schon vor einer Woche an Merkel schrieb. Der Brief, dessen Inhalt am Montag von der Financial Times veröffentlicht wurde, trägt das Datum vom 15. März. Einen Tag später hat Merkel dann Tsipras nach Berlin eingeladen. In dem Brief macht Tsipras klar, dass es für Griechenland "unmöglich" sei, seine laufenden Kreditverpflichtungen zu erfüllen, wenn das Land kurzfristig keine Hilfe erhalte. Er beklagt sich über die "besonderen Restriktionen" der Europäischen Zentralbank, weil sie die Höhe, bis zu der sich griechische Banken mit kurzfristigen Staatsanleihen verschulden dürfen, gedeckelt hat.

Ursprünglich wollte Tsipras in Berlin gar keine neue Reformliste präsentieren. Der Zeitung Kathimerini hatte er am Sonntag noch gesagt, er reise "ohne Verhandlungsdruck". Am vergangenen Freitag hatte Tsipras von einem Mini-Griechenland-Gipfel in Brüssel bereits den Auftrag erhalten, in den nächsten Tagen neue Reformversprechen vorzulegen als Voraussetzung für Finanzhilfen. Der politische Druck auf Athen ist aber so hoch, dass den Tsipras-Getreuen wohl noch kurz vor der Abreise klar geworden ist, dass es sich der griechische Regierungschef kaum leisten kann, in Berlin mit leeren Händen dazustehen.

So kursierten am Montag einige neue und alte Ideen: ein späteres Rentenalter, höhere Steuern auf große Vermögen, eine Bestrafung von Firmen, die mit Korruption verdient haben, eine bessere Nutzung von EU-Strukturfonds. Da blieben unter der alten Regierung Milliarden ungenutzt, weil Projekte nicht in die Gänge kamen oder nicht rechtzeitig fertig wurden.

Auch sollen offenbar nicht mehr alle Privatisierungsprojekte gestoppt werden. So hat der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport weiter eine Chance, 14 Regionalflughäfen zu übernehmen, darunter Chania auf Kreta, das zu den wichtigsten Touristik-Zielen gehört. Bei Privatisierungsprojekten unter der Samaras-Regierung gab es, wie auch von Experten beklagt wird, teilweise wenig Transparenz. So ist unklar, warum ein so riesiges Areal wie der alte Athener Flughafen, in bester Küstenlage, in einem Stück angeboten wurde, und es am Ende nur einen Bieter gab.

Viele Beamte haben sich zuletzt sehr früh pensionieren lassen, aus Furcht, die Bedingungen könnten sich in Zukunft verschlechtern. Dies will die Regierung nun beschränken, denn die vielen Frührentner belasten die Rentenkassen massiv. Der zuständige Minister wiederum sorgte in der vergangenen Woche für Erstaunen, als er im Parlament ankündigte, er wolle wieder Staatszuschüsse an Berufsrentenkassen geben, wenn die ihre Renten nicht voll auszahlen können. So war es früher, die großzügige Regelung wurde von der alten Regierung auf Druck der Troika abgeschafft. Die Änderung würde eine Milliarde Euro kosten, rechnet die Opposition vor.

Ärger könnte es auch mit der Nationalfeiertags-Parade am Mittwoch geben. Syriza-Anhänger haben sich in der Parteizentrale beschwert, weil die Linke doch Militärparaden abschaffen wollte, aber die Kampfjets schon zu Übungszwecken über die Hauptstadt donnerten. Und regnen soll es auch.

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