Grexit-Streit:Schäuble stellt Gabriel bloß

Sein Vorschlag zum Euro-Ausstieg Athens war in der Regierung abgestimmt, sagt der Bundesfinanzminister. Und widerspricht damit den Aussagen des SPD-Chefs. Auch Präsident Gauck äußert sich jetzt zu Griechenland.

Von Thomas Kirchner, Alexander Mühlauer, Mike Szymanski, Cerstin Gammelin, Brüssel/Berlin

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel im Grexit-Streit desavouiert. Schäuble stellte am Dienstag in Brüssel klar, dass ein Papier seines Hauses über ein vorübergehendes Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone in der Regierung abgestimmt worden sei. Schäuble wählte seine Worte mit Bedacht: "Ich will nur ganz liebenswürdig sagen", begann er, um nach einer Pause hinzuzufügen: "Ich habe keinen Vorschlag gemacht, der nicht innerhalb der Bundesregierung in der Sache und Formulierung abgesprochen war." Daher sei es wenig sinnvoll, das hinterher zu Diffamierungen zu nutzen.

Gabriel hatte Samstag auf Facebook erklärt, der SPD sei der Vorschlag "natürlich bekannt". Danach hatte er Hunderte wütende Kommentare von SPD-Mitgliedern erhalten und dann tags darauf am Rande eines Treffens sozialistischer Politiker in Brüssel gesagt: "Ich kenne das Papier nicht." Er habe Kenntnis von der Idee als solcher gehabt, ihr aber nicht zugestimmt.

Schäuble reagierte auch auf die weltweite Kritik an der angeblichen Hartherzigkeit Berlins gegenüber Griechenland. Auf die Frage, ob ihn die Verunglimpfungen treffen, sagte er: "Natürlich trifft es einen." Bundespräsident Joachim Gauck wies die Kritik zurück. Er teile sie nicht, sagte er während eines Staatsbesuchs in Irland. "So ein großes Land muss sich auch Überlegungen gestatten für verschiedene Lösungswege." Man könne nicht sagen, die deutsche Regierung sei daran interessiert, dass Griechenland scheitert.

Die griechische Koalition hat sich offenbar damit abgefunden, bei der Abstimmung über erste Reformen am Mittwoch auf die Opposition angewiesen zu sein. "Die Mehrheit für das Paket steht, wie auch immer sie aussieht", heißt es in Kreisen von Syriza. Die Partei geht von 32 Abweichlern in ihrer Fraktion aus; der Partner, die rechtspopulistische Anel, lehnt etwa den geplanten Privatisierungsfonds ab.

Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte am Dienstagabend im griechischen Fernsehen: Das Brüsseler Abkommen sei durch den Druck starker EU-Staaten entstanden, dies "ehrt nicht die Tradition Europas". Zudem kritisierte er den deutschen Finanzminister für dessen Grexit-Pläne: "Dieses Europa gehört nicht Herrn Schäuble." Auch wenn die vereinbarten Maßnahmen nicht seiner persönlichen Überzeugung entsprächen, habe er sie unterzeichnen müssen, so Tsipras. Er wollte "ein Desaster für sein Land vermeiden, den Kollaps der Banken".

Die Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm werden laut Schäuble "außergewöhnlich schwierig". Das Land müsse seine Kreditverpflichtungen bis dahin voll bedienen. Für eine Brückenfinanzierung gibt es Optionen. Ein Vorschlag aus der Euro-Gruppe sind Schuldscheine, um innergriechische Verpflichtungen zu bedienen. Mit dem gesparten Geld könnten Kredite zurückgezahlt werden. Athens Schulden dürften gemäß Berechnungen des Internationalen Währungsfonds nun auf fast 200 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung steigen.

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