Schuldenkrise in Griechenland:Der lange Weg zum Grexit

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Die Wiedereinführung der Drachme (links) ließe sich nicht innerhalb kurzer Zeit bewerkstelligen. (Foto: dpa)
  • Was im Falle eines Grexit genau geschieht, ist unklar. Viele Griechen haben noch Bargeldreserven, aber von Banken könnte man wohl keine Euro mehr abheben.
  • Kritisch wird der Ausstieg aus der Währungsunion vor allem für Unternehmen, die auf Importe angewiesen sind. Sie hätten kaum eine Chance, noch Ware zu erhalten.
  • Die Wiedereinführung der Drachme ließe sich nicht innerhalb kurzer Zeit bewerkstelligen.
  • Die EU müsste wohl humanitäre Hilfe leisten.

Analyse von Nikolaus Piper

Was am Tag eins nach einem Grexit passieren würde, weiß man nicht. Eine Staatspleite mit Austritt aus einer Währungsunion hat es noch nie gegeben. Sicher ist nur: Der Grexit tritt nicht plötzlich ein, es ist ein komplexer Prozess mit "vielen Grautönen", wie es in einer Studie der Volkswirte von Goldman Sachs heißt. Darüber wie er abläuft, kann man lange spekulieren.

Das Geld wird wohl nicht gleich ausgehen. Nach einem Bericht der Bank von Griechenland haben die Griechen seit November 2014 gut 30 Milliarden Euro von ihren Konten abgezogen. Unter Matratzen und in Schränken werden schätzungsweise 20 Milliarden Euro gehortet; das entspricht zehn Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts.

(Foto: SZ-Grafik)

Außerdem hat die Regierung für diesen Monat die Gehälter ihrer Angestellten und die Renten gezahlt. In welchem Umfang ist allerdings unklar. "In einigen Fällen wurde nicht einmal das Mai-Gehalt vollständig ausgezahlt", sagt Alexander Kritikos, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Generell sei die Zahlungsmoral auf dem Tiefpunkt: "Viele Arbeitgeber sagen zu ihren Mitarbeitern: Arbeite für mich, irgendwann einmal werde ich dich bezahlen." Das heißt: Euros sind noch da, aber die Lage ist explosiv.

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Viele Griechen haben Konten bei ausländischen Banken, etwa weil sie in Deutschland gearbeitet haben. Auf dieses Geld haben sie weiterhin Zugriff. Das Problem ist: Die Geldautomaten stehen bei griechischen Banken, und die sind an dem Tag pleite, an dem die Europäische Zentralbank (EZB) ihre ELA-Hilfskredite stoppt. Werden sie die Automaten noch befüllen können? Die Frage ist offen. Die Banken bleiben an diesem Montag erst einmal geschlossen - ein halber Grexit. Was möglich bleibt, ist die Bezahlung mit Kreditkarten.

Lebenswichtige Importe können nicht mehr bezahlt werden

Eine Parallelwährung gibt es bereits in gewissem Sinne: Schon in der Vergangenheit zwang die Regierung griechische Institutionen, Staatsschuldtitel als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Im Mai hat Athen vermutlich einen leichten Überschuss im Primärhaushalt (Staatshaushalt unter Ausschluss von Zins und Tilgung). Das bedeutet, dass die Regierung eine Zeit lang ihre Ausgaben aus den Einnahmen bestreiten kann. Der Überschuss wird sich aber in einer kollabierenden Wirtschaft schnell in ein Riesendefizit verwandeln. Dann bleibt nichts anderes übrig, als Rechnungen mit Schuldscheinen zu begleichen - der Parallelwährung.

Nach einem Grexit hat das Land erst einmal keine international anerkannte Währung mehr, das heißt: Lebenswichtige Importe können nicht mehr bezahlt werden, vor allem Medikamente und Erdölprodukte. Die EU wird nicht umhin kommen, humanitäre Hilfe zu leisten. Ausländische Firmen liefern in einen Pleitestaat nur gegen Vorkasse, wofür im Fall eines Grexit die Euros fehlen. Schon ein kaputtes Ersatzteil kann so zu einer Firmenpleite führen.

Elektronische Parallelwährung im Gespräch

Erst einmal wird es keine neue Drachme geben. Die Einführung einer neuen Währung ist ein langwieriger Prozess mit vielen technischen, logistischen und IT-Problemen. So weit bekannt, hat die Regierung noch keinerlei Vorbereitungen getroffen. Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, schlug deshalb die sofortige Einführung einer elektronischen Parallelwährung und Kapitalverkehrskontrollen vor. Letzteres hat Athen gerade beschlossen. Gut möglich, dass es zu dem kommt, was die Goldman-Sachs-Volkswirte "Euro-isierung" Griechenlands nennen. Wie in Montenegro und in Kosovo bleibt der Euro nach einem Grexit de facto Zahlungsmittel. Wer es sich leisten kann, verlangt Bezahlung in Euro.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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