Grenzkontrollen in Dänemark:EU-Kommission verlangt eine Erklärung von den Dänen

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Der Alleingang Dänemarks hebelt einen zentralen Bestandteil des Schengener Abkommens aus: Auf Druck der Rechtspopulisten soll es an den Landesgrenzen wieder "permanente Kontrollen" geben. Die EU-Kommission drängt auf eine Erklärung Kopenhagens. Auch Bundesinnenminister Friedrich schaltet sich in die Debatte um Grenzkontrollen ein.

Die EU-Kommission hat wegen der geplanten Wiedereinführung "permanenter Grenzkontrollen" Dänemarks an der Grenze mit Deutschland eine rasche Erklärung gefordert: "Es muss klar sein, dass die Kommission jeglichen Versuch, den EU-Vertrag zurückzudrehen, weder akzeptieren kann noch akzeptieren will", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwochabend. Das gelte für den freien Transport von Waren ebenso wie für die Reisefreiheit von Menschen. Sobald eine Erklärung vorliegt, wolle sich die Kommission genauer zur Frage äußern, ob sie die Pläne für legal hält.

An den Grenzen von Dänemark sollen künftig Zöllner sowohl Einreisende als auch Ausreisende kontrollieren. Wie der dänische Finanzminister Claus Hjort Frederiksen mitteilte, hat sich die Kopenhagener Minderheitsregierung mit der rechtspopulistischen DVP und einem parteilosen Abgeordneten darauf geeinigt.

Dänemark bleibe aber weiter Teil des Schengener Raumes, der eigentlich den freien Grenzübertritt zwischen beteiligten EU- und einigen anderen Ländern garantieren soll. Ziel der neuen Kontrollen durch Zöllner sei "die zunehmende grenzüberschreitende Kriminalität", sagte Frederiksen. Justizminister Lars Barfoed sagte, es gehe vornehmlich um Einreisende aus Osteuropa.

In Deutschland wurde die geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen unter anderem von der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, SSW, und von Europaabgeordneten kritisiert. Vertreter der Wirtschaft im nördlichen Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel.

Bislang kann ein Schengen-Land Passkontrollen nur vorübergehend wieder einführen bei "einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit". Damit können etwa Hooligans von Reisen zu Sportereignissen abgehalten werden.

Innenkommissarin Malmström hat vorgeschlagen, zumindest zeitweilige Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums zu erleichtern, etwa bei einem plötzlichen Flüchtlingsansturm oder wenn ein Land die EU-Außengrenze nicht kontrollieren kann. Dies fordert besonders Frankreich.

Die Gretchenfrage im Schengen-Raum

Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sprach in Bezug auf Dänemarks Alleingang von "reinem Populismus" und "Scheinpolitik", Schulz sagte dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel: "Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lässt sich mit Sicherheit nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen."

Der FDP-Innenexperte im Europaparlament, Alexander Alvaro, sagte der Zeitung, dass sich mit der Wiedereinführung der Kontrollen auch die Frage stelle, ob Dänemark überhaupt noch Mitglied im Schengen-Raum bleiben könne. "Wenn sich Dänemarks Regierung von den Rechtspopulisten so unter Druck setzen lässt, dass sie die Axt an eine der europäischen Grundfreiheiten legt, dann stellt sich auch die Gretchenfrage der Mitgliedschaft Kopenhagens im Schengen-Raum", sagte Alvaro.

Der Unions-Außenpolitiker im Europaparlament Elmar Brok erklärte im Hessischen Rundfunk: "Wir dürfen nicht zulassen, dass den Bürgern ein wirklicher Erfolg der europäischen Einigung wegen der Unfähigkeit einiger Regierungen, mit den Flüchtlingsfragen fertigzuwerden, wieder weggenommen wird."

Das Europaparlament werde solche Eingriffe in die Schengen-Verträge aber stoppen. Denn Änderungen an diesen seien nach den Verträgen von Lissabon zustimmungspflichtig.

Friedrich für "temporäre Grenzkontrollen"

Angesichts der Flüchtlinge aus Nordafrika bekräftigte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seine Forderung nach erleichterten Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums. Unmittelbar vor dem Treffen der EU-Innenminister am heutigen Donnerstag in Brüssel sagte Friedrich der Welt: "Es sollte künftig möglich sein, auf außergewöhnlichen Migrationsdruck flexibel reagieren zu können."

Laut Friedrich sollten "temporäre Grenzkontrollen der Lage angepasst und mit Augenmaß an den Schengen-Binnengrenzen möglich" sein. Dies würde, so die Argumentation des Ministers, letztlich auch zu einer Stärkung der Freizügigkeit in Europa führen.

Friedrich wandte sich zugleich gegen eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen: "Es muss klar sein, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob und wie viele Flüchtlinge sie aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen. Wir sind im Einzelfall offen für eine freiwillige personelle Lastenteilung. Voraussetzung ist aber auf jeden Fall, dass ein EU-Mitgliedsland wirklich unverhältnismäßig belastet ist und es geltendes EU-Recht anwendet."

Im ARD- Morgenmagazin hingegen gab sich Friedrich zurückhaltender: Grenzkontrollen müssten die Ausnahme bleiben. "Dazu müssen wir genaue Kriterien definieren und das ist das Ziel heute", so Friedrich über das Treffen der EU-Innenminister in Brüssel. Allerdings zeige die von Dänemark geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen, dass Regelungsbedarf bestehe: "Es wird nichts zurückgedreht, sondern es wird ein bisschen konkretisiert."

Kritik von Leutheusser-Schnarrenberger

Scharfe Kritik an Dänemark kam hingegen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Sie bezeichnete die Wiedereinführung der Grenzkontrollen als "problematische Entwicklung". Permanente Grenzkontrollen nähmen "eine der Errungenschaften der Europäischen Union" weg, sagte die FDP-Politikerin im Deutschlandfunk.

Das Verhalten Dänemarks sei ein Beispiel dafür, wie fragil Regelungen und Grundüberzeugungen in der EU sein könnten. Es sei daher wichtig, eine Debatte zu führen, welche Bedeutung Reisefreiheit und offene Grenzen hätten - "und dass das nicht aufs Spiel gesetzt werden darf".

Dänemark hatte im März 2001 als Konsequenz aus dem Schengener Vertrag alle Grenzkontrollen nach Deutschland abgeschafft und die meisten Kontrolleinrichtungen abgebaut. Nach der Wiedereinführung sollen unter anderem durch automatisch arbeitende Scanner Autokennzeichen erfasst werden. Deutlich verstärken wollen die Skandinavier auch die verdeckte Fahndung im Grenz-Umland nach Drogen- und Waffeneinfuhren.

© AFP/dapd/Reuters/dpa/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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