Grenze zu Syrien:Türkei beschießt IS in Syrien

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  • Die Türkei soll den USA Medienberichten zufolge die Nutzung des wichtigen Militärstützpunktes Incirlik für Angriffsflüge auf den IS gestattet haben.
  • Die türkische Regierung will nach tödlichen Anschlägen die Grenze zu Syrien besser schützen und hart gegen IS-Kämpfer und PKK-Separatisten vorgehen.
  • Beide Gruppen stellt Präsident Erdoğan auf eine Stufe.
  • Die Abwehrmaßnahmen könnten bis zu 1,5 Milliarden Euro kosten.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Der Bombenanschlag von Suruç durch einen mutmaßlichen IS-Anhänger und aufflammende Gewalt der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) haben die Türkei in Angst versetzt. Die Regierung will die Grenze zu Syrien besser schützen und mit aller Härte gegen die PKK und den Islamischen Staat (IS) vorgehen. Am Donnerstag kam es in der Provinz Kilis an der Grenze zu Syrien zu Gefechten mit IS-Kämpfern. Nach der Tötung eines türkischen Soldaten durch Schüsse aus Syrien habe die türkische Artillerie Stellungen des IS mit mehreren Granaten beschossen, wobei ein Kämpfer getötet worden sei, berichtete die Armee. Drei Fahrzeuge wurden zerstört. An der Grenze wurden Kampfflugzeuge zusammengezogen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stellte die islamistischen Fanatiker und die kurdischen Kämpfer auf eine Stufe und sagte: "Unser Staat ist gegen jede Art von Terror. Wir werden alle Möglichkeiten einsetzen, die Täter zu finden."

Zudem sollen sich die USA und die Türkei darauf geeinigt haben, dass US-Kampfflugzeuge den IS von der Türkei aus angreifen dürfen. Zwei US-Regierungsbeamte sagten der Nachrichtenagentur AP, Präsident Barack Obama und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan hätten am Mittwoch telefonisch darüber gesprochen. Auch die New York Times beruft sich in einem Bericht auf Aussagen aus Regierungskreisen.

Die USA könnten künftig den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik für Attacken gegen den IS nutzen. Die US-Regierung bestätigte die Übereinkunft nicht, sondern erklärte lediglich, dass Obama und Erdogan über eine bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS gesprochen hätten. Das US-Militär hatte zuvor lange vergebens darauf gedrungen, Angriffe von türkischem Boden aus fliegen zu dürfen.

20 000 Soldaten im Einsatz

Im Kampf gegen die Milizen des IS will die Türkei die mehr als 900 Kilometer lange Grenze zu Syrien mit Betonmauern, Scheinwerfern, Drohnen und Zeppelinen bewachen. Etwa 90 Prozent aller Aufklärungsflugzeuge und Drohnen sind dem Militär zufolge bereits an die Grenze verlegt worden, 20 000 Soldaten sind im Einsatz. Die Kosten für den Grenzschutz könnten sich auf umgerechnet bis zu knapp 1,5 Milliarden Euro belaufen, berichteten türkische Medien.

Am Montag waren in der Grenzstadt zu Syrien 32 Männer und Frauen durch einen Selbstmordattentäter ums Leben gekommen. Sie wollten helfen, die von Kurden befreite syrische Stadt Kobanê wieder aufzubauen. Die PKK ermordete daraufhin zwei türkische Polizisten, denen sie Komplizenschaft zum IS unterstellte. Damit steht auch der 2012 begonnene und zuletzt ins Stocken geratene Aussöhnungsprozess zwischen Türken und Kurden womöglich endgültig vor dem Aus.

Der türkische Regierungsvize Bülent Arınç sagte bereits, es sei "unmöglich", den Lösungsprozess fortzusetzen, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Aber auch die Kurden befürchten eine weitere Eskalation der Gewalt. Selahattin Demirtaş, der Chef der prokurdischen HDP, die es bei der Wahl Anfang Juni überraschend mit 13 Prozent ins Parlament geschafft hat, sagte: "Jederzeit könnten weitere Anschläge folgen. Es sieht so aus als ob harte Zeiten auf die Türkei zukommen werden." Den Sicherheitsbehörden machte er schwere Vorwürfe, sie hätten schlampig gearbeitet, was den Kampf gegen den IS angehe. Der Attentäter von Suruç ist mittlerweile identifiziert. Es soll sich um einen 20-jährigen Mann aus dem südostanatolischen Adıyaman handeln.

Die Stadt ist dafür bekannt, dass der Islamische Staat dort Kämpfer rekrutiert und in Syrien ausbildet. Die türkische Zeitung Milliyet berichtet von zweihundert Männern und Frauen, die sich allein aus dieser Stadt den Fanatikern angeschlossen haben sollen. Der Bruder des Selbstmordattentäters soll ebenfalls beim IS aktiv sein. Bis 2015 sollen schon an die 1300 Türken zum IS gegangen sein.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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